Nichts Besonderes ist geschehen. Ein Mensch ist im Land Brandenburg gestorben. Das passiert in Deutschland täglich circa 2.500-mal. Die Trauerfeier fand am 16. März 2019 statt. Das Leben geht weiter. Keine besonderen Vorkommnisse – wäre man geneigt zu schreiben, wenn da nicht der oben genannte Todesfall gewesen wäre. Uwe M. wurde nur 57 Jahre. Er starb irgendwann zwischen dem 7. und 13. Februar 2019. Den genauen Zeitpunkt kennt niemand. Die Einwirkung Dritter wird bisher ausgeschlossen. Sein ganzes Obdach war ein kleines Zelt mit etwas warmer Kleidung, einem Grill, zwei Matratzen, Lebensmittel und einer Powerbank.
Damit hauste er hinter einem Garagenkomplex auf dem Gelände des Oranienburger Güterbahnhofs. Der Alkohol hatte seine Spuren hinterlassen, er litt an Diabetes und hatte deshalb offene, unversorgte Wunden. Depressionen sind dazu gekommen. Vielleicht hat sich der frühzeitig gealterte und vom Leben gezeichnete Mann zum Sterben still in sein karges Zelt zurückgezogen, um von diesem Dasein endlich erlöst zu sein. Tod durch Aufgeben, wenn einen der Lebensmut verlässt, folgt bald darauf die Seele. Es muss beim Sterben sehr kalt und einsam gewesen sein. Ich hoffe, es war ein sanfter Tod.
Alle Bemühungen der ehrenamtlich engagierten Janette Budtke, Uwe M. ein menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen, scheiterten. Die Frisiermeisterin und ihr kleiner ehrenamtlicher Verein, die uneigennützig und kostenlos armen Menschen helfen, sind erschöpft. Studierte oder gelernte professionelle Sozialarbeiter sind sie nicht. Die Chefin berichtet: „An diesem Beispiel zeigt sich mal wieder, dass hier eine professionelle Sozialarbeit gefehlt hat. Es reicht nicht, den Leuten mal die Haare zu schneiden, ihnen ein Essen zu spendieren oder eine Bleibe zu geben. Hier ist Fachpersonal gefragt. Wir als Normalos können das nicht leisten. Die Kommunen müssen endlich aufwachen.“ Grenzen wurden überschritten, die Ehrenamtler immer mehr als der billige Jakob ausgenutzt.
Willkommenskultur gern, aber nur für Fremde
Wir sind an einem wunden Punkt angelangt. Die Brandenburgische Landeshauptstadt Potsdam will neben dem zugewiesenen Kontingent der Landesregierung im „Zeichen von Humanität und Toleranz“ zusätzliche Bootsflüchtlinge aufnehmen. Die Oberbürgermeister von Köln, Düsseldorf und Bonn wandten sich direkt an die „Wir schaffen das“ – Kanzlerin Angela Merkel und verkündeten eifrig, ihre Städte wollten in Not geratene Geflüchtete aufnehmen. Im Wettbewerb „Wer rettet die Welt?“ darf Potsdam nicht zurückstehen.
Aber auch im Inland wird großzügig Geld spendiert, wenn man damit die eigene Wählerklientel stärken kann. So versprach die einstige linke Sozialministerin Diana Golze medienwirksam für das brandenburgische Cottbus bis zu 40 neue Sozialarbeiter zusätzlich, um dort nach wiederholten Messerangriffen von „jugendlichen Einzelfällen“ die Wogen zu glätten.
Andere Gutmeinende feiern sich als Retter der Entrechteten, indem sie „Geflüchtete“ heimlich bei sich illegal aufnehmen, die vor den legalen Abschiebungen (tatsächlich) flüchten. Anstatt „Kirchenasyl“ gibt es jetzt das „Bürger*innen-Asyl“, da darf man sich auch mal im öffentlich-rechtlichen TV des RBB für seine hochstehende „Moral“ feiern lassen, denn Straftaten nennen sich neuerdings „Zivilcourage“. Dieses antisoziale Verhalten schadet auch den Flüchtlingen, die ein Anrecht auf Asyl haben und denen, die sich mit ihrer Hände Arbeit integriert haben.
Greifbare Angst vor dem sozialen Abstieg
Die Borgsdorferin Janette Budtke, einst der Engel von Brandenburg möchte nicht mehr das Feigenblatt für die defizitären aber aufmerksamkeitsheischenden einseitigen Initiativen der Politik sein. Als Vorsitzende der Gruppe „Charity Banditen“, die uneigennützig Obdachlosen, Wohnungslosen, von Altersarmut Betroffenen aber auch Familien und Kindern hilft, zieht sie sich von ihrer ehrenamtlichen Arbeit frustriert zurück. Sie kritisiert: „Es kann doch nicht sein, dass die Stadt sich auf der einen Seite rühmt, wie viel Geld sie für alles ausgibt und auf der anderen Seite viele Menschen in Armut leben. Irgendetwas läuft da schief.“
Sie hat verstanden: Für einheimische Obdachlose und Arme bekommt sie von den Kommunen keine wirkliche Unterstützung. Umgekehrt war dies regelmäßig der Fall. Die erhaltene „Ehrenamtsmedaille“ schickte sie konsequent mit der Post an die brandenburgische Stadt Hohen Neuendorf zurück. Nur Unbedarfte lassen sich von wohlfeilem Blech, bunten Bändchen und Urkunden aus der Schublade blenden. Die tatsächlichen Lorbeeren ernten die anderen. Die Trauerfeier für den Verstorbenen wurde ausschließlich in Verantwortung des Vereins durch Geldspenden finanziert.
Nun ist er also von uns gegangen. Sein Tod könnte uns allen – im Positiven wie im Negativen – eine Mahnung sein. Die Angst vor dem sozialen Abstieg des Mittelstandes ist allgegenwärtig und keine Verschwörungstheorie. Die Rezessionsangst zieht auf. Gestrandete Menschen sind keineswegs dumm oder unwillig. Man findet den Akademiker oder ehemaligen Unternehmer genauso darunter wie den einstigen notorischen Schulverweigerer und heutigen Streuner. Firma pleite, Job und Partner(in) weg, Alkohol, Schulden, Depressionen, finaler Suizid. Nicht alle schaffen die Wiederauferstehung wie Phoenix aus der Asche. Einmal unten – fast immer unten.
Doch vielleicht war Uwe freier als die, die ihm helfen wollten. Unabhängigkeit war ihm wichtiger als jegliche Verbindlichkeit durch die äußeren Umstände der strammen täglichen Pflichterfüllung. Es ist nicht verboten, unkonventionell und stur seinen Weg zu gehen. Freiheit ist auch, sich ein Leben zu suchen, das man vor allem selbst will.
Obdachlose und Hartz-IV-Empfänger befördern zugleich die Abstiegsangst jener, die nicht dazu gehören. Noch nicht. Deshalb sagen sich viele, es ist besser, nicht aufzufallen oder gar anzuecken. Keine eigene Meinung haben und wenn, dann immer die der Mehrheit. Besser mit den Wölfen heulen, solange diese die Herren im Wald und Gelände sind. So wird aus der Abstiegsangst Opportunismus.
Steffen Meltzer ist Autor des Buches Ratgeber Gefahrenabwehr: So schützen Sie sich vor Kriminalität – Ein Polizeitrainer klärt auf.
Traurig das so viele Menschen an der Armut grenze leben und manche Leute einfach viel zu viel haben, einfach ungerecht.
Lg Margret