von Alexander Freitag

Warum ich mit Westdeutschen nicht mehr diskutiere

Gekippt ist es wohl vor so etwa anderthalb bis zwei Jahren. Im Prinzip eine direkte Folge der Pandemie-Zeit, in der ich erlebte, wie sich letzte Reste an Vernunft und Rationalität in meinem mehrheitlich westdeutsch dominierten Umfeld verabschiedet hatten. Letztlich eine Alltagsparadoxie, hatten sich die selbsternannten Vielfalts-Propheten am Ende dieses Prozesses doch in sprichwörtliche Einfalts-Pinsel verwandelt.

Drei Themen & drei Kernsätze

Bis zu diesem Zeitpunkt versuchte ich auch in meinem Freundes- und Bekanntenkreis noch die Diskussion zu suchen, auf den um sich greifenden Irr- und Wahnsinn hinzuweisen. Mit immer weniger Erfolg. Und immer zahlreicher werdenden Nazi-Keulen. Wobei ich gegen letztere bereits eine Teflonschicht entwickelt hatte. Gespräche und Diskussionen mit westdeutschen Freunden, Bekannten und erweitertem Umfeld verliefen spätestens ab diesem Zeitpunkt nach dem immer gleichen Muster, das drei Themen und drei Begleitsätze enthielt. Die drei Themen, immer wiederkehrend, waren und sind:

1. Irgendwas mit Klima.
2. Irgendwas mit Flüchtlingen.
3. Irgendwas mit Nazis.

Alternierend konnte auch „Irgendwas-mit-current-thing“ hinzukommen, also Irgendwas-mit-Virus, Irgendwas-mit-Putin oder Irgendwas-mit-AfD. Begleitet wurden die drei Kernthemen von drei verlässlich regelmäßig auftauchenden Kernsätzen:

A. Ich bin gut informiert!
B. Dazu gibt es keine zwei Meinungen!
C. Das ist Wissenschaft!

Schallplatte mit Sprung & Sendetaste im Dauermodus

Einzig variabel in der einfältig gewordenen Kommunikation blieben die Kombinationen aus Kernthemen und Kernsätzen, wobei die Kombinationen 2AB, 1C und 3B die mit Abstand häufigsten waren – und sind. Sind sowohl die Kernsätze als auch die Kombinationen als Textbausteine abgeleiert, kommt man nicht etwa zu den wirklichen Themen im Gespräch, sondern beim westdeutschen Gegenüber macht die Schallplatte schlicht einen Sprung, und das Textbaustein-Gedudel geht einfach wieder von vorne los. Vielleicht mal mit einer anderen Kombination, wie etwa 23AB, womit der westdeutsche Gesprächspartner endgültig zum Alleinunterhalter am Tisch wird: Stets die Sendetaste gedrückt haltend, und immer gerne mit einer wichtigen Ergänzungsmitteilung aus dem Themenspektrum „Irgendwas-mit-Putin“, was sich zum Beispiel ganz hervorragend eignet, um den rasanten wirtschaftlichen Niedergang vollkommen einleuchtend und mit einem resoluten B aus der Kernsatzauswahl absolut abschließend zu erklären!

Sinnlose Zeitverschwendung & Abschließende Handlungsempfehlung

Es ist einerseits ein rein praktischer Ansatz, das Diskutieren mit dieser Alman-Spezies einzustellen: Es kostet nur Zeit, ohne auch nur ansatzweise einen Fortschritt oder einen Return-on-Invest zu erzielen. Darüber hinaus schont es das eigene Nervenkostüm: Diese Leute sind ebenso unbelehrbar wie Flacherdler oder Chemtrailer. Sie verharren in dem, was Carlos A. Gebauer in einer Diskussion einmal „Long Tagesschau“ nannte. Selbstreferenziell in ihrem eigenen Kreis drehend, in dem es weder Ecken noch Kanten gibt, die als Hindernisse für den eigenen Stuss dienen könnten, spulen sie ihre Schallplatte-mit-Sprung ab. Als einer, der im psychiatrischen Umfeld routinierten Umgang mit Schizophrenie-Betroffenen hat, praktiziere ich im Benehmen mit diesen im Grunde obskuranten und seltsamen Wesen den Umgang mit Schizophrenikern: Passiv zuhören, nicht widersprechen, nicht bestätigen – und so schnell wie möglich das Weite suchen. Die mentale Grundstruktur dieser Leute ist tatsächlich schizophrener Natur: Weltuntergangs- und Weltrettungswahn oszillieren durch das wahlweise heulbojend-larmoyante, wahlweise manische Dampfplaudern, kombiniert mit herbeihalluzinierten Klima-Dürre- oder Nazi-Halluzinationen. Geht man rein nach diagnostischen Kriterien der ICD-10, dürfte ein erheblicher Teil dieser Leute unter das fallen, was der Psychiater Manfred Lütz einmal in einem ganzen Buch beschrieb: Irre, wir behandeln die Falschen!

Lassen Sie diese Leute erzählen.
Suchen Sie nicht ihre Nähe.
Und falls es sich doch nicht vermeiden lässt: Suchen Sie schnell das Weite.

Bemerkenswert, um es hier abzuschließen: Kaum etwas hilft mir im Umgang mit dem täglich intensiver werdenden Irr- und Wahnsinn speziell im westdeutschen Umfeld, wie die langjährigen Erfahrungen im Umgang mit Psychiatrie-Patienten. Und das meine ich weder melodramatisch noch polemisch. Sondern einfach nur so, wie es im Alltag ist.

Nur fürs Protokoll: Ich bin selbst Westdeutscher von Geburt, kann mir also folglich den Spott über meine Landsleute erlauben. Und ja, natürlich, es gibt Ausnahmen. Die sind, wie der Begriff schon aussagt, rar gesät. Sehr rar.

Zum Autor: Alexander Freitag ist Wirtschaftspsychologe und Lehrbeauftragter für Präklinische Notfallmedizin & Psychiatrie. Er ist Mitautor des Buches „Die hysterische Republik“.