Autor: Steffen Meltzer:
Die abgewirtschaftete SPD mit ihrem Ministerpräsidenten Dietmar Woidke bleibt trotz hoher Verluste an der Regierungsmacht. Eigentlich war die rot-rote Regierungskoalition abgewählt worden, SPD und Linke zusammen fuhren sagenhafte 13,6 Prozent weniger Wählerstimmen ein, währenddessen die AfD 11,3 Prozent hinzugewann. Aber eine rot-rot-grüne Koalition würde über eine absolute Mehrheit verfügen und so das Bundesland weiter nach links rücken. Mit dem Linksruck gegen den Rechtsruck. Da jubelt die gutmenschliche Welt und atmet auf.
Ein weiterer Wahlverlierer hat sich selbst ins Spiel gebracht: Die märkische CDU führt mit 15,6 Prozent eher ein Schattendasein und büßte gegenüber den Wahlen 2014 immerhin 7,4 Prozent der Stimmen ein. Rund 28.000 Wähler, die 2014 noch die CDU gewählt hatten, verscheuchte der Landesvorsitzende Ingo Senftleben, der übrigens am Wahltag zum schwarzen Anzug ausgerechnet eine blaue Krawatte trug, zur AfD, indem er im Wahlkampf mehrfach verkündet hatte, sich auch eine Zusammenarbeit mit den Postkommunisten vorstellen zu können. Anstatt auf die klassischen Themen wie innere Sicherheit und Wirtschaftspolitik zu setzen und MP Woidke bei jeder sich bietenden Gelegenheit anzugreifen, wusste keiner so recht, wofür diese Landes-CDU steht. Ein wenig grün, ein wenig sozialdemokratisch oder links gefällig? Dann wählen die Brandenburger doch gleich lieber das Original. Nun will er mit MP Woidke über eine Regierungsbeteiligung verhandeln, mit dem er eigentlich gar nicht und wenn doch, dann nur als neuer Ministerpräsident redenwollte. Es brodelt im Landesverband, die ersten CDU-Granden forderten bereits seinen Rücktritt. Senftleben sah das gar nicht ein, sammelte seine Unterstützer und konnte den Umsturzversuch mit 6:9 Stimmen im Landesvorstand abwehren. Da die SPD einen Landtagskampf mit „alles oder nichts“ gegen die AfD geführt hat, wurden die CDU und Senftleben – „Ich bin Landei. Und das ist auch gut so“ – darin zerrieben. Erst wurde das Land gespalten und jetzt die Union? Ob der Schmerz für einen Neuanfang groß genug ist, bleibt abzuwarten.
SPD – Partei der alten Männer
Die SPD-Taktik, Ängste gegen die vermeintlichen Angstmacher der AfD zu erzeugen, hat funktioniert. Es wurden Bilder gemalt, die an die Weimarer Republik erinnern: Rassisten und Neonazis könnten die Macht im Lande übernehmen. „Völker hört die Signale, auf zum letzten Gefecht!“ Der Weltuntergang schien zu drohen, wenn er nicht sowieso schon bald wegen der Klimakatastrophe irreparabel eintritt! Gustave Le Bon’s „Psychologie der Massen“ funktioniert offenbar auch im märkischen Sand.
Die SPD, die Partei des alten weißen Mannes, holte ihren höchsten Stimmenanteil bei den über 70-jährigen (42 Prozent) und droht damit als Volkspartei eines natürlichen Todes zu sterben. Im Prinzip braucht man nur zu warten. Ihr vermutlich größtes Nachwuchstalent, Klara Geywitz, verlor ihren Potsdamer Wahlbezirk an eine 28-jährige Grüne. Ein Treppenwitz der Geschichte: Geywitz war mit Hilfe der Grünen eine der maßgeblichen Initiatoren für das neue Paritätsgesetz, das eine Frauenquote im Landtag durchsetzen soll. Nun sitzt für die SPD eine junge Frau weniger im Landtag.
Auch die Grünen sind wieder auf dem harten Boden der Realität gelandet. Deren Spitzenkandidatin, Ursula Nonnemacher, hatte sich vor der Wahl bereits als Ministerpräsidentin selbst ins Gespräch gebracht. Nach einem manischen Umfragehoch von über 17 Prozent, staubte man noch 10,8 Prozent ab. Mit anderen Worten: 89,2 Prozent der an die Wahlurne gegangenen Brandenburger wählten keine Grünen. Sie bleiben in Brandenburg Partei einer kleinen selbsternannten Elite, die allerdings mächtig in die Tuba bläst. Die vor allem medial hochgejubelte Fridays-for-Future-Bewegung brachte zwar für eine Grüne in Potsdam ein Direktmandat, verpuffte aber weitestgehend ungehört im Orbit der Beliebigkeiten. Wenn die MAZ sich darüber erbost, dass der Comedian Mario Barth die unfehlbare Heilsbringerin Greta Thunberg kritisiert habe, schreibt sie vor allem für sich selber. Interessiert keinen.
Für die einstige ostdeutsche Volkspartei, die Linke, gilt: Wer zwischen allen Stühlen sitzt, fällt irgendwann hindurch und wird als zu leicht befunden. Die Lehre des Marxismus-Leninismus beherrscht man dort auch nicht mehr, sonst hätte man vielleicht doch besser auf Sahra Wagenknecht gehört, die bei Karl Marx nachgelesen hat, was der über die Einwanderung der verarmten Iren nach England berichtete:
„(…) hat die englische Bourgeoisie das irische Elend nicht nur ausgenutzt, um durch die erzwungene Einwanderung der armen Iren die Lage der Arbeiterklasse in England zu verschlechtern, sondern sie hat überdies das Proletariat in zwei feindliche Lager gespalten. (…)Der gewöhnliche englische Arbeiter haßt den irischen als einen Konkurrenten, der die Löhne und den standard of life (Lebensstandard) herabdrückt. Dieser Antagonismus zwischen den Proletariern in England selbst wird von der Bourgeoisie künstlich geschürt und wachgehalten. Sie weiß, daß diese Spaltung das wahre Geheimnis der Erhaltung ihrer Macht ist.“ (Karl Marx, „Resolutionsentwurf des Generalrats über das Verhalten der britischen Regierung in der irischen Amnestiefrage“, Januar 1870, MEW, Bd. 16, S. 388)
Seit 2015 hat man in Wahlkämpfen aufs falsche Pferd gesetzt. Die selbst ernannten Linken sollten ihre ideologischen „Klassiker“ besser studieren und verstehen. Da sind von den Altkadern der SED wieder einmal einige Politseminare notwendig, um die Genossen auf stramme Linie zu bringen.
Wahlkampf für die AfD
Das gemeinsame Vorgehen der etablierten Parteien gegen die AfD hatte Folgen. Den Schmuddelkindern der deutschen Politik bescherte sie aus dem Feld der Nichtwähler 107.000 zusätzliche Stimmen, soviel, wie keine andere Partei dazugewinnen konnte. Kaum eine Tageszeitung hatte monatelang weniger als drei negative Artikel täglich über die Outlaws verfasst, die man Tag und Nacht als Trommelfeuer über dem unmündigen Wahlvolk unbedingt ausschütten musste. Der eingeschränkte Tunnelblick auf die AfD hat ohne Zweifel dazu beigetragen, dass die Stimmenverluste der SPD kleiner als befürchtet ausfielen, hat jedoch in erster Linie die AfD gestärkt. Überraschung! Nicht wenige behaupten, ohne den Landeschef Andreas Kalbitz und seine rechtsextremen Verstrickungen aus der Vergangenheit, hätte die AfD noch mehr gepunktet. Gut möglich und wahrscheinlich, es gibt einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung, der den politischen Wechsel will oder wenigstens dem Establishment ordentlich eins auswischen möchte.
In der vergangenen Legislaturperiode hat die brandenburgische AfD im Landtag nicht überzeugt. Die bisherige Arbeit der AfD im Innenausschuss, den ich des Öfteren besuche, durfte man als Beobachter getrost als Totalausfall bewerten. Wenn all diese Dinge bei der Wahl jedoch nur noch eine untergeordnete Rolle spielten, muss die Enttäuschung über die anderen Parteien und die einseitige und belehrende Berichterstattung der Medien Ausmaße bis zur Schmerzgrenze bei vielen Wählern angenommen haben.
Meine Hoffnung darauf, dass die Parteien aus den eigenen Fehlern lernen, hat sich aber bereits am ersten Tag nach der Wahl zerschlagen. Nachdem man der AfD vor der Wahl den Krieg erklärt hatte, geht man nunmehr zu einer weiteren Eskalationsstufe über, jetzt wird scharf gegen deren Wähler geschossen. Wenn du nicht mehr weiter weißt, kann nur noch ein Psychologe helfen, dachte man sich offenbar beim RBB und legte los. Der „Experte“ zeigte sich wie gewünscht eifrig und „analysierte“ das bitterböse AfD-Wahlvolk: Diese würden sich als Deutsche über andere erheben. Natürlich, der frustrierte Dunkeldeutsche, der den ganzen Tag unrasiert im Feinrippunterhemd aus dem Fenster schaut, um über alles zu meckern und auf Ausländer eindreschen will. Sehr einfallsreich. Der „Experte“ wurde im TV ausdrücklich als „Psychologe“ angekündigt, ich bin mir aber nicht mehr ganz sicher, ob es sich bei dem „Tiefenpsychologen“ nicht vielleicht doch eher um einen Ideologen für populistisch einfach gestrickte Erklärungen gehandelt hat. Hochstapelei ist ja heutzutage weit verbreitet, nicht zuletzt in der Politik. Die Ergebnisse wurden uns am 1. September 2019 beschert.
Mein Artikel erschien auch auf „Tichys Einblick“ und auf dem Blog von Vera lengsfeld
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