Die SPD möchte den Skandal um den Hochstapler Simon Vaut schnellstmöglich beenden. Der in Berlin sesshafte Hamburger hatte bei der Wahl zum Spitzenkandidaten für die anstehende Europawahl mit blumigen Worten seinen Wohnsitz in der Stadt Brandenburg an der Havel vorgegaukelt und eine angebliche Stadtbewohnerin als Partnerin erfunden, obwohl es sich lediglich um eine Bekannte handelt, die darüber hinaus in Berlin wohnt. Erst als sich die so missbraucht gefühlte junge Frau dem privaten Brandenburger TV-Sender SKB offenbarte, kam der Betrug heraus. Der einstige SPD-Hoffnungskandidat begründet seinen Schwindel:
„Ich bin häufig in meinem Leben umgezogen, bin nirgendwo verwurzelt.“ Diesen Nachteil habe er „mit einer Überinszenierung“ überdecken wollen.
Selbstreflektion ist nicht jedermanns Sache, denn in der EU würde der ach so nette Herr Vaut genau diese Entwurzelung durch eine ausufernde Globalisierung und dem Abbau der Nationalstaaten aktiv mitgestalten. Sein nächster Fake?
Nun möchte die Landes-SPD schnell wieder zur Tagesordnung übergehen, denn man befürchtet einen Schaden für die Wahl. Vaut hat sich das Büßergewand übergestülpt und seine Fehler „freiwillig“ eingeräumt. Die Lieblingskandidatin von Ministerpräsident Woidke, die linksgrüne Ex-Jusochefin Maja Wallstein, wird anstelle des reuigen Sünders ins Europaparlament einziehen, wenn sie denn gewählt werden sollte. Ende gut alles gut?
Die SPD ist in Brandenburg seit 1990 Regierungspartei und stellt seitdem regelmäßig den Ministerpräsidenten. Nicht wenige behaupten, ein grundlegender Politikwechsel würde dem Land guttun, da diese Partei inzwischen völlig abgetakelt sei. Der karrierebewusste „Mann von Welt“, Vaut, tauchte in Brandenburg auf wie der langersehnte Heilsbringer von Gottes Gnaden, wenn man voraussetzt, dass MP Woidke noch unterhalb des Papstes angesiedelt ist. Das Personal in der Landes-SPD scheint dünn gestreut zu sein, wenn selbst aufgeblasene Schaumschläger turbomäßig, ohne jegliche Überprüfung, durchstarten können.
Genauer hinschauen lohnt sich
Was ist das für ein SPD-Ortsverband, der solch einen Kandidaten ungeprüft durchwinkt, obwohl dieser dort bestenfalls ein Vierteljahr „bekannt“ gewesen sein soll? Schauen wir einmal genauer hin.
Der Landtagsabgeordnete und ehemalige Chef dieses SPD-Unterbezirks Ralf Holzschuher hatte es immerhin vom August 2013 bis November 2014 zum Innenminister geschafft. Ich habe den Politiker bei mehreren Veranstaltungen der Gewerkschaft der Polizei (GdP) und der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) persönlich erlebt. Einmal gab er beispielsweise den geneigten aber verdutzten Zuhörern bekannt, dass man nach den erfolgten Grenzöffnungen nach Osteuropa nicht mit einem Anstieg der Grenzkriminalität gerechnet habe. Er beendete stets eine Gewerkschaftsveranstaltung mit der Bemerkung, dass man sich auch gern persönlich an ihn wenden könne.
Als ein Beamter und meine Person das Angebot auch noch beim Wort nahmen und um eine Audienz baten, scheiterten wir bereits im Ansatz mehrfach und wurden stets erfolgreich abgewimmelt. Probleme? Gibt es keine! „Fehlerkultur“ ja, aber nur von oben nach unten. Das subjektive Befinden vorbei an den tatsächlichen Realitäten ist an höherer Stelle besonders explizit ausgeprägt. Führungs“kultur“ wie im Zeitalter der Dampfmaschinen.
Das sahen der Polizeipfarrer Sven Täuber und der Chef der DPolG Brandenburg Peter Neumann ähnlich: „Ministerium und Polizeispitze verlangten kritiklosen Gehorsam von ihren Untergebenen, die ihrerseits eine Schönschreibe- und Erfolgsmeldekultur wie zu besten DDR-Zeiten beklagten“. Auf Mobbing- und Vertuschungsvorwürfe reagierte Neumann: „Das sei symptomatisch für die Polizeiführung des Landes, Probleme werden teils ignoriert oder kleingeredet.“
Geändert hat sich seitdem, trotz unendlich vieler Beteuerungen und maßlosen narzisstischen Eigenlobs der Führung, nichts.
Anderswo geht es auch nicht anders zu
Stichwort „Mobbing“: Machen wir weiter mit dem SPD-Unterbezirk, der Simon Vaut in froher Erwartung naiv durchgewinkt hatte. In einer WhatsApp-Gruppe der Genossen wurde Holzschuher als „Arschkriecher“ und die jetzige Fraktionsvorsitzende im Stadtparlament als das „Aas“ tituliert. Weitere Freundschaftbekundungen im Wortlaut: „Renate, die alte Ratte“, „Marianne, die Hexe“, „Lilo, die sich nicht mehr in den Griff bekommt“, Daniel, der „glatzköpfige Zwerg“, Ralf, der „Tagträumer, dem die Fraktions-Kollegen die Pest an den Hals wünschen“ und immer wieder „Britta, die vertrocknete Pflaume“.
Darüber hatte ein weiteres SPD-Mitglied ein „Buch“ verfasst, (sie war aus der Gruppe herausgeflogen, Rache ist bekanntermaßen süß), deren ehrgeiziges Dossier immerhin stolze 512 Seiten umfasst. Das verräterische Pamphlet wurde daraufhin fleißig herumgereicht, natürlich auch an die örtliche Presse durchgestochen. Der öffentliche Skandal war perfekt. Die sechsmonatige „Unterhaltung“ soll schon sechs Uhr morgens begonnen und erst gegen Mitternacht geendet haben. Offensichtlich gab es viel an Misshelligkeiten zu berichten. Das „Instrument des Hasses“ hatte zum Ziel, den Patron Holzschuher zu Fall zu bringen. Diesen erinnerte das Vorgehen der Opponenten wiederum an „Stasimethoden“. Von den zehn Aufrührern überlebten bis heute nur zwei ihre SPD-Mitgliedschaft.
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Jede Zeit produziert einen bestimmten Typus
Diese Verwerfungen sind die Saat, aus der neue „Lichtgestalten“ am Himmel aufsteigen, sie sind das Futter für Selbstdarsteller und Narzissten. Der bis dahin im SPD-Unterbezirk völlig unbekannte Blender Simon Vaut hatte demzufolge leichtes Spiel, die angeschlagenen Genossen, die auf der Suche nach einem Messias waren, zu überzeugen. Eine geschliffene Rede, die auf Emotionen setzt, smartes Auftreten mit einem vermeintlich offenen Lächeln ebneten ihm bis knapp vor dem Ziel den Weg für einen hochdotierten Posten in Brüssel.
Die SPD ergötzte sich in einem Akt der Selbstverleugnung triumphierend an ihrem eigenen Populismus, feierte sich selbst und keiner hat es gemerkt – wenn da nicht die Berliner Bekannte des Himmelsstürmers gewesen wäre.
Wie hoch die Dunkelziffer der vielen Vauts ist, weiß niemand genau. Mutmaßlich sind es nicht wenige, die tricksen, täuschen und tarnen, um schamlos Karriere zu machen und Menschen dafür zu ge- und missbrauchen.
Der Drang, eigene und/oder gruppenbezogene defizitäre innere Sehnsüchte in vermeintliche Erlöser hineinzuinterpretieren, steigt von Tag zu Tag bis hin zur entrückter Entzücktheit und Massenhysterie. Zum Beispiel wurde Greta Thunberg, mit dem Antlitz eines zwölfjährigen Kindes, in Schweden zur „Frau des Jahres“ gewählt, vom skurrilen Abend der Verleihung einer „Goldenen Kamera“ ganz zu schweigen.
Die Grenzen zwischen Betrug (Vaut) und politischem Missbrauch von Personen (Greta) verwischen sich dabei immer mehr zu einer Einheit. Hochkonjunktur für „Phantasiebegabte“ zeigt der weitere Fall Claas Relotius. Willkommenskultur „Wir schaffen das!“ und Klimawende sind die populistischen Erlöserphrasen für politikgemachte Flüchtlingsströme und eine gewinnmaximierende Energiehochpreispolitik, im Namen der geradezu religiös angebeteten Globalisierung. Der Glaube hat schon längst die sachorientierte Lösungsstrategie ersetzt.
Zufälle gibt es keine, denn nichts kommt von nichts.
Steffen Meltzer, Herausgeber und Mitautor von Schlussakkord Deutschland – Wie die Politik unsere Sicherheit gefährdet und die Polizei im Stich lässt
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