Autor: Steffen Meltzer

Einst marschierte eine unbewaffnete Formation der Bundeswehr mit Liedgut auf den Lippen und einer Fahne (die aus Stoff ist gemeint) durch die idyllische rot-rot-grüne Stadt. Sofort und unverzüglich kamen freiwillige Meldeposten ihrer Pflicht nach und meldeten die dubiose Straßenszenerie der Polizei. Diese erschien prompt vor Ort und stellte einen uniformierten Hauptmann zur Rede. TE hatte von dem aufsehenerregenden Vorfall berichtet.

Eine ähnliche Ungeheuerlichkeit subversiven Verhaltens legt seit zwanzig Jahre ein konterrevolutionärer Holzstapel an den Tag, der dadurch die amtliche Autorität der Stadtverwaltung systematisch untergraben hat. Genauer gesagt handelt es sich dabei um das Herrchen der Holzburg, einen Holz-Hochstapler kämpferischen Gemüts namens Burkhard Scholz, Direktor des Inselhotels Hermannswerder. Dieser lagerte am Hotel friedlich das Kaminholz, als eines schönen Tages das Bauamt dem unternehmenden Unternehmer auf die Schliche kam und das Inselparadies für beendet erklärte. Es ging dabei nicht um das Hotel. Das Corpus Delicti ist der Holzstapel. Da nützte es auch nichts, dass der schon zehn Jahre bei Wind und Wetter vor sich hin stapelte. Gnade gab es nicht: „Die Holzmauer muss weg! Die Holzmauer muss weg!“   

Behördenkauderwelsch

Die Schwerkraft wirkt per Gesetz auch in Potsdam

Warum das so ist, wurde Anno 2016 in einem zwölfseitigen Schreiben intensiv erläutert. Hauptkritikpunkt: Nach Paragraph 2 BbgBO ist die hölzerne Hochstapelei, man staune, „durch die eigene Schwere mit dem Boden verbunden“ und deshalb eine „bauliche Anlage“. Und ich dachte immer, so ein Stapel schwebt über dem Erdboden. Da Abenteuerurlaub beliebter wird, ist mir gegenwärtig nicht bekannt, ob in dem Holzhaufen Hotelgäste wohnen müssen, damit das städtische Bauamt diese Voraussetzungen für den betreffenden Paragrafen als erfüllt ansieht. Jedenfalls, so die engagierten spitzfindigen Paragraphenreiter, benötigt der aufsässige Eigentümer nach Paragraph 54 BbgBO eine Baugenehmigung. Außerdem verschandelt der „Holzlagerplatz“ (so das korrekte Beamtendeutsch) „das Orts- und Landschaftsbild“. 

Die Verwaltungsmentalität: Den Scholz kriegen wir auch noch! Keine Baugenehmigung – kein Holzstapel, basta! Ansonsten sind 1000 Euro Zwangsgeld plus 250 Euro Verwaltungsgebühr zu entrichten. Bei Nichtzahlung droht Zwangshaft. Das übliche alternative Programm bei sich weigernden (angeblichen) „Querschlägern“. 

Wenn es Ihnen nicht passt, so klagen Sie doch

Anstatt behördlich geforderte „Einsichtsfähigkeit“ zeigte der Hotelier Standhaftigkeit. So ein Standpunkt kommt vom sicheren und schweren Stand auf dem Boden der Tatsachen. Kein Wunder wenn die bürokratischen Federfuchser Paragraphenreiter dem bösen Holzstapel attestieren: „Durch die eigene Schwere mit dem Boden verbunden“ zu sein. Wie der Herr so‘s Gescherr.

Erfahrungsgemäß lässt eine Gegenwehr die Kampfeslustigen auf der behördlichen Sympathieskala nicht nach oben schnellen. Freilich gibt es auch echte Querulanten und Nervensägen. Jedoch ist der zynische Spruch: „Wenn es Ihnen nicht passt, so klagen Sie doch“ keine Seltenheit. So wie es auch Personen gibt, die den Mitarbeitern fortlaufend mit Beschwerden an „höherer Stelle“ drohen. Als „unangepasst“ gilt man hingegen schnell, wenn man die „Dreistigkeit“ besitzt, einen Behördenleiter zu verklagen. In unserem Fall kam es am Verwaltungsgericht zum großen Treffen.  

Nun hat sich die Hoffnung zerschlagen, dass der Hoteldirektor der bekannteste Knasti Deutschlands wird. Die Parteien einigten sich auf einen außergerichtlichen Vergleich. Der Stapel muss weichen, allerdings nur um zwanzig Meter. Wird er wenige Meter weiter weniger „schwer auf den Boden drücken“ und die Schwerkraft austricksen? 

Um der Sache die Bedeutung zu geben, die ihr zweifelsohne medial zusteht, fand eine gemeinsame Pressekonferenz der Parteien statt. Der Stadtfrieden ist damit vorerst wieder hergestellt. Falls nicht die Bundeswehr wieder für einen internationalen Wettkampf trainiert und durch Potsdam marschiert.

Entschuldigung, wo geht’s hier zum Holzstapel?  

Das Brennholzdrama hatte sich zu einem deutschlandweiten Medienereignis entwickelt. Für Journalisten und Touristen wurden extra Wegweiser angelegt, die direkt zum historischen Potsdamer Kriegsschauplatz führten. Auch ich habe mir vorgenommen, den Kaminhaufen zu besuchen, solange er noch am alten Platz steht. Kommen Sie nach Potsdam, vergessen Sie Sanssouci, das steht auch nach der Corona-Krise noch, vermutlich. 

Mein Beitrag wurde zuerst auf TE veröffentlicht