Autor: Steffen Meltzer
Bei den höheren Führungskräften finden wir die ganze Bandbreite menschlicher Eigenschaften. Daran ändern auch psychologische Testverfahren nichts, um die „Richtigen“ herauszufischen. Wenn man dann manche dieser auserwählten Herrschaften live erlebt, muss man sich fragen, ob sich diese bei den Auswahlverfahren erfolgreich verstellen konnten, oder ob es vielleicht doch Vorsatz war, solche Charaktere heranzuziehen. Ein Prinzip nennt man „Hans sucht Hänschen“. Ist der Big-Boss ein unsozialer Ellenbogen-Narzisst, sucht er sich unterstellte Führungskräfte mit punktgenau den gleichen Persönlichkeitsmerkmalen. Läuft die Führungspyramide jahrelang schief, werden viele Jahre benötigt, den „Betriebsfrieden“ wieder ins Lot zu bringen, denn die alten Chefs sind noch alle da. Beteuerungen, Papierlagen und Hochglanzprojekte sind dagegen ungeeignet.
Solche Gedanken kamen mir beim Lesen einer Zuschrift, als ein Mitglied des GdP (Gewerkschaft der Polizei)-Bezirks Bundespolizei und Vorsitzender des Bezirkspersonalrates einen Beitrag für die Gewerkschaftszeitung „Deutsche Polizei“ verfasste. Dabei geht es mir nicht um den Polizeibeamten, sondern um den Sachverhalt, über den er berichtete.
Nach dem Terroranschlag im „Charlie Hebdo“ vom 07. Januar 2015 in Paris startete der Bezirkspersonalrat einen Initiativantrag. Dabei ging es um die Mitbestimmung zur Einführung von ballistischen Schutzhelmen. Diese Helme sind in der Lage, den Beschuss beispielsweise aus einer Kalaschnikow zu stoppen oder zu hemmen. Außerdem schützen sie wirkungsvoll gegen Faustfeuerwaffen und Granatsplitter. Eine Beschaffenheit, die die bisherigen Schutzhelme nicht vorweisen konnten.
Der Personalrat hatte sein Mitbestimmungsrecht bei der Behördenleitung eingefordert, da es um den Arbeits- und Gesundheitsschutz der Polizeibeamten geht. Das Bundespolizeipräsidium lehnte das Mitbestimmungsverfahren mit der Begründung ab, dass es sich lediglich um die „Einsatzfähigkeit der Beschäftigten“ handelt.
Um es kurz zu machen, der Personalrat klagte und verlor die erste Instanz vor dem Verwaltungsgericht (VG) Potsdam. Allerdings zeigte man sich hartnäckig und legte gegen dieses Urteil Berufung beim Oberverwaltungsgericht (OVG) ein. Dort kam es dann zum finalen Treffen zwischen beiden Parteien. Dem Personalratsvorsitzenden tränten offensichtlich vor Verwunderung bei der Argumentation des Arbeitgebers die Augen.
Kommen wir zu den Aussagen des leitenden Beamten des Bundespolizeipräsidiums. Ich zitiere wörtlich:
- „Bei der Einsatzführung des ballistischen Schutzhelms geht es ausschließlich um die Einsatztaktik und nicht um Gesundheitsschutz. Die Beamten haben sich im Einsatz nicht um ihre Gesundheit zu kümmern, sondern etwas anderes zu tun.“
- „Oberstes Ziel ist die Einsatzbewältigung.“
- „Die Durchhaltefähigkeit steht im Vordergrund. Sollte der Beamte dabei am Leben bleiben, wird das als positiver Nebeneffekt mitgenommen.“ (Zitat Ende)
Wie man im Einsatz mit verletztem oder gar getötetem Polizisten, das so viel beschworene „Einsatzziel“ erreichen will, lernte man früher bestenfalls auf sowjetischen Militärakademien. Dort waren Menschen einst Kanonenfutter mit einer Waffe in der Hand (falls vorhanden). Quantität anstatt Qualität.
Aber unsere Polizisten sind kein beliebiges „Menschenmaterial“ oder Kanonenfutter. Überleben im Einsatz darf nicht zur Glückssache durch eine vorhandene oder nicht vorhandene Ausrüstung verkommen. Wenn es nicht einmal eine Wertschätzung für „Leben und Gesundheit“ in der eigenen Führung gibt, (von „Fürsorge“ möchte ich gar nicht mehr sprechen), dann müssen wir uns nicht wundern, wenn die tätlichen und verbalen Angriffe auf unsere Polizeibeamten immer mehr zunehmen. Warum sollen Straftäter „Respekt“ vor Polizisten haben, wenn das nicht einmal einige der eigenen Chefs haben? Ich lasse die Frage stehen, ob es sich hierbei um die Fehlleistung Einzelner handelt oder um eine gesamtgesellschaftliche Tendenz. Die Antwort erübrigt sich für mich.
Der Vorsitzende des OVG und seine vier ehrenamtlichen Richter hoben die Entscheidung des VG auf und gaben der Klage des Personalrates statt. Das Mitbestimmungsrecht wurde voll zuerkannt. Eine Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen. Das Urteil ist damit rechtskräftig und für alle Personalräte verbindlich.
Fast fünf Jahre nach „Charlie Hebdo“ wurden die neuen Helme inzwischen eingeführt.
Mein Beitrag erschien zuerst auf Tichys Einblick
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