Steffen Meltzer
Bei frühlingshaften Temperaturen treffen sich Jugendliche in einem Park, sie stehen zusammen, trinken Alkohol und hören laute Musik. Ein alterstypisches Verhalten. Als die Polizei eintrifft, zerstreuen sie sich in alle Richtungen, einige werden jedoch gestellt, ihnen droht jetzt ein Bußgeld. Einer der Anwesenden hatte zuvor seine Freunde umarmt und abgeklatscht und soll geflüchtet sein, um sich einer Kontrolle zu entziehen. Die Hamburger Pressestelle teilt später mit, aufgrund der Flucht habe die Polizei angenommen, dass der Jugendliche „etwas zu verbergen hat“.
Bei dem bekannten Geschehen handelt es sich lediglich um Ordnungswidrigkeiten und keineswegs um Straftaten. Alles andere als ungewöhnlich ist, dass Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen vor der Polizei die Flucht ergreifen. Keineswegs muss sich dahinter ein zu vertuschendes Geheimnis oder eine Straftat verbergen; oftmals spielt dabei eine diffuse Angst oder Panik eine große Rolle, die rationales Handeln beeinträchtigt oder verhindert.
Einmal flüchtete eine Person, die einer schweren Straftat verdächtigte wurde, durch das Toilettenfenster eines Polizeigebäudes. Diesen Umstand nahm man als „Beweis“, dass der Tatverdächtige das Verbrechen begangen habe. Alle Ermittlungen wurden seitdem einseitig in diese Richtung geführt. Später stellte sich heraus, der Mann war unschuldig.
Ähnliche Phänomene sind zu beobachten, wenn nach langen Polizeivernehmungen Personen Straftaten gestehen, die sie nie begangen haben.
Angemahnt wird, der Jugendliche soll sich vor der Polizei besonders „hervorgetan“ haben. Nun gut, Machogehabe bei 17-jährigen Heranwachsenden kann man nicht als außergewöhnlich bezeichnen. Besonders wenn mehrere Altersgenossen vor Ort sind und die Polizei eingreift. Statt wie viele andere „junge Männer“ die Polizei anzugreifen, hat er sich für die Flucht entschieden. Sein Vergehen waren Umarmungen und Abklatschen im Beisein der Beamten. Hatte er auch keine Maske getragen?
Tunnelblick und Spareifer ergeben die Mischung
Gruppendynamische Prozesse gibt es auch bei der Polizei. Wenn mehrere Beamte eine Person verfolgen, ist schnell die Jagd eröffnet und es werden schwere Fehler bei der Eigensicherung begangen. Jeder möchte derjenige sein, der die „Beute“ einfängt. Im Stress kann der Tunnelblick, der jegliche Verhältnismäßigkeit und unnötige Risiken ausblendet, die Oberhand gewinnen. Das Jagdfieber beherrscht das Handeln und schränkt die freien Ressourcen im Gehirn, die Merkfähigkeit und andere Wahrnehmungsprozesse stark ein. Bei anderen Einsätzen kam es schon zu schweren Verkehrsunfällen, bis hin zur unberechtigten Schussabgabe, wenn der freie Wille durch eine drastische Ressourcenverknappung im Gehirn abhandenkommt. Andere Beamte trennen sich bei der Verfolgung, dadurch haben besonders gefährliche Täter leichtes Spiel und verletzen oder töten einen Beamten.
Damit dieser dysfunktionale Stress bei den Polizisten im Einsatz vermindert wird, erfolgen Einsatztrainings, die jedoch in den letzten Jahren zeitlich immer mehr beschnitten wurden. Diese müssen aber ständig wiederholt und weiterentwickelt werden. Durch eine Vermehrung der Aufgaben und Probleme und den jahrelangen unverantwortlichen Personalabbau können Polizeibeamte immer weniger solcher Trainings besuchen. Dazu tragen zweifelsohne auch die zahlreichen und radikalen Corona-Kontrollen bei. Manche reiben sich darüber die Augen und fragen sich völlig zu Recht, warum man nicht mit einer ähnlichen Anzahl an Beamten konsequent diverse Kriminalitätsschwerpunkte in den Großstädten bekämpft hat, zum Beispiel im Görlitzer Park von Berlin. Dort hat man stattdessen lieber Fußballturniere mit den Drogendealern veranstaltet. Gleiches gilt auch für die Clankriminalität, die man jahrzehntelang mehr oder minder duldete, der bei den Abschiebungen nicht Asylberechtigter.
Das Problem liegt tiefer
Das Ergebnis dieses Videos kann sein, dass empathielose Eltern zu ihren Kindern sagen: „Wenn du nicht folgst, rufe ich die Polizei, die sperrt dich ein“. Die Auswirkungen sind fatal und irreparabel. Ein Bärendienst für die ohnehin angeschlagene Psyche der Kinder und für die Nachwuchsgewinnung für die Polizei.
Die Hamburger Polizei hat in ihrer Stadt einen guten Ruf, nicht nur auf der Davidwache wird eine hochprofessionelle Arbeit tagtäglich abgeliefert. Jedoch ist nichts für die Ewigkeit in Stein gemeißelt.
Der Artikel erschien zuerst auf Tichys Einblick
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