von Steffen Meltzer
Am 20.07.2023 versammelt Lanz seine Gäste zur letzten Sendung vor der großen Sommerpause. Zu Beginn trägt der Moderator „alarmierende Zahlen“ vor, die AfD hätte in Thüringen gegenwärtig einem Stimmenanteil von 34 Prozent. Er verschweigt, dass auch im Westen Deutschlands die Zustimmungen zu dieser Partei enorm angestiegen sind. Zum Beispiel in Baden-Württemberg erreicht laut einer Umfrage des Südwestrundfunks (SWR) die Alternative ein Rekordergebnis von 19 Prozent (+ 7% gegenüber März 2023.)
Dann kommt der Gastgeber auf seine Gäste zu sprechen. Er stellt vor: Theodor Schnarr von der „Letzte Generation“, („Wir haben nur noch drei Jahre Zeit bis zur Apokalypse“, für mich heißt das decodiert: „Die Demokratie muss abgeschafft werden“). Anwesend sind auch, die extrovertierte Ethikratsvorsitzende Alena Buyx, Psychiater Manfred Lütz („Irre – Wir behandeln die Falschen“) und der Publizist Michel Friedmann.
Die Diskussion
Der klimaradikale Sektenjünger trumpft sofort mit seinem Anspruch auf, die gesamte Klimawelt zu retten. Was für eine Grandiositätsphantasie, andere könnten es „Größenwahn“ nennen. Er malt ein düsteres Bild, ein Drittel der Menschheit müsste in der Mitte des Jahrhunderts wegen der Klimaerwärmung fliehen, deshalb würde es Kriege um die verbliebenen Ressourcen geben, usw. Er will einen „Gesellschaftsrat“ als die „beste Idee“ von allem. (Leninsche Revolutionsräte als Vorbild?). Die kriminellen und gewalttätigen Straßenblockaden nennt er in einer blumigen Sprache einen „aufweckenden Feueralarm“. Seinen Scheindialog bringt er mit der typischen Appellrhetorik auf den Punkt: „Eh, unser Haus brennt!“. Michel Friedman hält dagegen und schlussfolgert zurecht, der Pressesprecher der „Letzte Generation“ (weiter im Text LG) sei also der alleinige Inhaber der „absoluten Wahrheit“. Weiter: Er u. die LG würden sich herausnehmen, Gewalt als Mittel der Politik anzuwenden, er meint, dass das falsch ist. Prof. Lütz glaubt, diese Klimakleber haben bisher keinen einzigen Menschen von ihrem Anliegen überzeugt aber viele abgeschreckt.
Jetzt trumpf Frau Buyx auf: Sie erklärt uns eine „komplizierte Welt“, sie spricht bedeutungsschwer vom „Konzept der radikalen Flanke“ (Klimakleber werden öffentlich extrem wahrgenommen) und vom „Effekt die kurzfristige Unterstützung“ der abnimmt. Es besteht die Sorge, dass dieser langfristig werden könnte. Das akademische Gewese in leichte Sprache umgewandelt: Die Proteste bekommen zwar für diese kleine Gruppe extrem viel Aufmerksamkeit, sind aber in der Sache kontraproduktiv. Deshalb wenden sich immer mehr Menschen vom Klimaschutzgedanken kurzfristig evtl. auch langfristig ab, die dem eigentlich offen gegenüberstehen. Die dozierende Ethikratsvorsitzende rät dem Vertreter der LG allerdings zu anderen Protestformen, die sie offensichtlich gern unterstützen würde.
Nun klagt der Klimaeiferer die Bundesregierung an, da diese Klimaschutz „nicht können würden“. Alter Wein in jungen Schläuchen. Dann zitierte er Stefan Rahmstorf vom sog. Potsdamer Institut für Klimaforschung, der nur ein eingetragener Verein ist. (Der angeführte Klimaforscher hatte u.a. behauptet, eine Glasscherbe würde genügen, um einen Waldbrand auszulösen. Praktiker Jörg Kachelmann nannte diesen Wissenschaftler „potsdämlich“.) Der Kleberverteter meint jedoch uneinsichtig, diese Proteste seien die effektivste Form. Lütz hält dagegen: Herr Schnarr reagiert in seinen langen Reden überhaupt nicht auf das Gesagte im Studio. Er bildet sich ein, dass er hier im Besitz der einzigen Wahrheit sei. Er belehrt andere von oben herab.
An anderer Stelle merkt der Straßenblockierer an, dass er sich selbst für sympathisch hält. Warum ihm das auch immer bei der Diskussion wichtig erscheint. Der Ersatzvorstoß auf die Beziehungsebene misslang gründlich. Trotzdem ist die Stimmung im Studio gegen den Vertreter der LG gerichtet. Die rationalen Gründe des Umschwungs? Nachtigall, ick hör dir trapsen.
Wahnsinniges Misstrauen
Nun hat Dr. Lütz der Ehrgeiz gepackt, er legt nach, Herr Schnarr wäre eher ein Prediger, der andere belehrt. Der Klimakleber führt als Konter sogleich zum sog. „Gesellschaftsrat“ aus: Dabei sollen 160 Menschen von 84 Mio. Menschen ausgelost werden. Das wäre dann „repräsentativ“ für das ganze Land. Hüstel und aufgeregte Aktivität im Studio. Lanz nennt dieses Vorhaben schlicht und einfach „Quatsch„. Der Psychiater legt nach und beschreibt dieses utopische Vorhaben als „illusionär“. Er kritisiert die (wörtlich) „absolute und moralische Position zur Lösung der ganzen Probleme“. Der Klinikdirektor bezeichnet es konkret und abwertend als eine „symmetrische Eskalation“.
Nun ist Friedmann wieder an der Reihe, der liest Schnarr die Leviten: „Wenn Sie behaupten, dass ihre Proteste gewaltfrei wären, leben sie in einer anderen Welt!“. Schnarr bleibt gemäß der o. a. „symmetrischen Eskalation“ stur dabei, die Proteste wären friedlich. Anm.: Hier ersetzt ein irrationaler Glauben die strafrechtlichen Fakten. Auch eine Form der Realitätsverdrängung.
Jetzt geht es erneut um den sog. „Gesellschaftsrat“: Die 160 Leute würden durch „Experten“ (Abt.: Agit/Prop? Wer bestimmt diese?) auf einen gleichen „Wissenstand“ gesetzt. (Wird kräftig Gehirnwäsche betrieben?) Diese besonderen Auserwählten sollen verhindern, dass fossile Energien zur Anwendung kommen. Nun aber schlägt endlich die virtuelle Bombe mit Streumunition ein: Schnarr gibt offen zu, dass er diesem Rat mehr zutraut als den gesamten Bundestagsabgeordneten. Wir hätten demnach keine Demokratie mehr, sondern eine Expertokratie (Expertenherrschaft die eben NICHT demokratisch wäre). Lanz nennt diese Rats-Idee erneut „Quatsch“. Buyx schlägt sich plötzlich auf die „partizipative“ Räteseite. (Die Vokabel „partizipativ“ (Beteiligung oder Teilhabe) benutzt sie im Studio immer wieder.) Die Dame in Rot findet dagegen Räte gut und möchte nicht, dass diese „zerredet“ werden. Vielleicht auch aus persönlichen Gründen, weil sie selbst Vorsitzende eines „Rates“ ist? Sie empfiehlt allerdings dem Studio-Gescholtenen, andere Ziele anzugehen und von einem „Rat“ als gesellschaftlichen Überbau abzusehen.
Michel Friedmann kommt wieder in Szene: Er fragt den Klimajünger hinterlistig aber gut: „Was machen sie, wenn dort 50 ausgeloste AfD-Wähler mit im ‚Gesellschaftsrat‘ sitzen?“. Die Antwort darauf blieb aus.
Dem Moderator reicht es jetzt, er fasst klipp und klar in einem Satz zusammen, was für mich ohnehin schon lange klar ist: Aus dem Vertreter der LG spricht ein „wahnsinniges Misstrauen gegen die Demokratie“. Für mich schön, diese Tatsache auch von anderen zu hören. Nun muss sich dieser Fakt nur noch an einigen anderen Stellen herumsprechen, damit diese aktiv werden.
Der auf seinem hohen Ross des allmächtigen Wissens immer wackliger werdende Schnarr begründet seine Dystopie nunmehr mit den Zahlen des Klimarates der Vereinten Nationen. An Lanz tropft das ab, er nennt das „Schall und Rauch“. Er zitiert eine Expertin, diese berichtet die Panikerzeugung wäre ein „Teil des Systems, dass sich um Horrorzahlen bemüht, um eine Apokalypse herbeizureden“.
Der stolz gestartete Theodor wird immer hilfloser, er wiederholt sich zunehmend. Ihm scheint die Puste ausgegangen zu sein. Für mich ein deutliches Signal von dysfunktionalen Stress und Überforderung. Weitere Phrasen müssen her, nun sprich er von einer „zivilisatorischen Bedrohung“, drunter „argumentiert“ er nicht.
Fazit
Jurist Friedmann fasst die Strategie der LG zusammen: Er nennt es „Selbstüberschätzung“, „Absolutierung“ und „Wir erklären euch die Welt“, im Sinne von „Wer uns nicht versteht, ist nicht mehr diskussionswürdig“. Die LG würde ausschließlich Monologe halten. Anm.: So auch der Klimakleber, der nach meinem Eindruck lediglich eingebläute Glaubenssätze fast wie in einem Selbstgespräch vor sich hinsprechen konnte. Aus meiner Sicht nicht Willens, auf Gegenargumente auch nur zu reagieren, geschweige emphatisch und inhaltlich einzugehen.
Mein abschließender Eindruck: Diesmal war die Kräftekonstellation im Studio 2 : 3 (die dozierende Alena Buyx, die nicht ohne den großen Auftritt in Wortwahl, Stimme, Mimik und Gestik auskommt, eine bloßgestellter, entzauberter und überlasteter Klima-„Aktivist“ und auf der anderen Seite ein argumentativ spitzfindiger Michel Friedmann. Psychiater und Theologe Manfred Lütz, der die Rolle des decodierenden Kommunikationsexperten übernommen hatte und ein angriffslustiger Lanz, der auch vor Schmähkritik nicht zurückschreckte. Er hatte diesmal gegenüber den Klimaklebern keine Kreide gefressen. In dieser Sendung sah ich einen ganz anderen Moderator, als zuvor Es wäre ein gutes Zeichen, wenn man auch in den Medien die Zeichen der Zeit verstanden hätte, dass es so wie bisher nicht mehr weiter gehen kann. Der Beitrag gibt die Sendung nicht vollständig wieder.
Mein Beitrag erschien zuerst auf Tichys Einblick
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