Fotos: Steffen Meltzer
Nanu, Sachsen ist anhand der Touristenzahlen ein beliebtes Bundesland? Sind diese Tatsachen politisch unkorrekt und müssen deshalb als „Fake News“ abgetan und disqualifiziert werden? Schließlich ist das Land der Sitz der „Konterrevolution“ von 1989, von Pegida und AfD sowie vereinsmeierisch regierter haudrauf-Fußballvereine wie der Sportgemeinschaft Dynamo Dresden. Außerdem gibt es dort altes und überteuertes Meißner Porzellan, komische, aber einmalige Sandsteinfelsen, weiße frustrierte Männer und Martin Duhlig von der SPD.
Dabei hatte man sich über Jahre so unendlich viel Mühe gegeben, den Sachsen medial ein schlechtes Image zu verpassen. Die Negativschlagzeilen der Frontberichterstattung aus dem Schützengraben der Selbstherrlichkeit lauteten beispielsweise: „Pegida-Effekt: Weniger Touristen kommen nach Dresden“, „Pegida vertreibt deutsche Touristen“, „Wer will denn noch nach Sachsen? Lokale Unternehmen bangen um ihre Zukunft“
Sachsen, der Hort des Bösen und der Nazis, angefeuert durch „Experten“ wie der bei vielen Kritikern im Verdacht stehende Salon-Linke Jakob Augstein, der in Sachsen gern eine rechtsautonome Republik mit Mauer ausrufen möchte, das Bundesland schon mal als „SAchsen“ bezeichnet und meint, die dortige Bevölkerung wolle nur das Geld des Westens, aber nicht deren wehrlosen Werte. Damit befindet er sich in guter Gemeinschaft mit anderen, Jutta Ditfurth freut schon einmal genüsslich, wenn eine 250 kg Fliegerbombe bei einer Entschärfung in Dresden teilweise explodiert, „Die Bombe weiß wo sie ist“, in einem anderen Tweet hatte sie sich beklagt, „Es war ein Fehler Dresden wieder aufzubauen“. Dass im Bombeninferno, nach dem Abschlussbericht der Historikerkommission im Februar 1945 ca. 25.000 Menschen ums Leben gekommen sind, scheint dabei egal zu sein. Auch die ehemalige Piratenpolitikerin und jetziges Mitglied im Berliner Vorstand der Linken Julia Schramm ist übereifrig: „Sauerkraut, Kartoffelbrei – Bomber Harris, Feuer frei“, so ihr Leitmotto.
Gar nicht erstaunlich diese Kälte gegenüber vielen Vertriebenen, die in der Dresdener Bombennacht gemeinsam mit den Einheimischen ums Leben gekommen sind, darunter viele Kinder, zumal man diese Menschen heutzutage im indoktrinierenden Linkssprech gern mit den Flüchtlingen aus der dritten Welt kategorisch gleichsetzt. Ich selbst durfte ein Politseminar erleben, in dem man genau diese Betrachtungsweise als „Verbindlich für alle“ angepriesen hat, was meinen heftigen Widerspruch hervorgerufen hatte. Am Wesen der deutschen Doppelmoral wird die globalisierte Welt auch diesmal nicht genesen.
Interessant ist auch, dass Sachsenbashing zur NS-Zeit gesellschaftsfähig und opportun war. Bücher mit sächsischer Mundart, dem „undeutsches“ und Kulturbolschewismus vorgeworfen wurden, hatten die Nationalsozialisten per Gesetz verboten und wurden aus den Buchläden verbannt. Damit war „Sächsisch“ als einzige Mundart im sog. Dritten Reich per Gesetz (1937) illegitim.
Viele Medien und Linke befinden sich damit, ob nun bewusst oder unbewusst, in einer unsäglichen Tradition des Sachsenhasses.
Zurück zur Gegenwart:
Ich hielt mich wieder einmal in meiner Heimat auf. Mitten in Dresden, im Zentrum der Stadt, saßen ich zufällig an einem der aufgestellten langen Tische, mit einem Lehrerehepaar aus Niedersachsen zusammen. Sie sprachen uns an und fragten uns, ob wir wissen, wo heute (es war Montag, der „typische Pegidatag“ in Dresden) die entsprechende Veranstaltung stattfindet. Wir mussten passen und verwiesen auf Google. Folglich wurde gemeinsam das Internet bemüht, aber wir konnten nichts finden. Sie erzählten, dass sie unbedingt so eine Versammlung anschauen und studieren wollten, das war schließlich der Sinn ihrer Reise ins Ungewisse. Schließlich sei Dresden nicht nur eine Pegida-, sondern auch eine AfD-Hochburg. Mit entsprechenden zwiespältigen Gefühlen hatten sie sich zum Aufbruch in die sächsische Landeshauptstadt begeben. (Mir kamen bei dieser vermeintlichen Risikobeschreibung einer Reise nach Dunkeldeutschland Erinnerungen hoch, als ich kurz nach dem Ende des Jugoslawienkonfliktes, von Dubrovnik über die kroatische Landesgrenze durch zerstörtes bosnisches Kriegsgebiet nach Deutschland gefahren bin und mir die damit verbundenen erheblichen Gefahrenpotentiale schon zuvor bewusst wahren, die sich im Übrigen bestätigt hatten.)
Weiter mit den touristischen Studienbeobachtern: Jedoch seien sie erstaunt, wie viele Touristen und Ausländer sich in der Stadt frei bewegen würden. Auch überrascht die Freundlichkeit der Einheimischen. Sogar ein großes linksalternatives Viertel hatten sie in der Dresdner Neustadt vorgefunden. Überhaupt sei Dresden eine bemerkenswert schöne Stadt. So hatten sie sich das nicht vorgestellt. Ihre Annahmen über Stadt und Einwohner wären bei der Anreise vielmehr völlig andere gewesen.
Wir mussten lächeln über die entwaffnende Offenheit der beiden sympathischen Niedersachsen. Folgedessen diskutierten wir unsere Standpunkte freundlich und fair miteinander aus. Der böse weiße Ossimann, frustriert, ungebildet, mit Bierbauch und voller Hass konnte nicht gesichtet werden. Bei der Verabschiedung umarmten wir uns und dankten uns gegenseitig für den interessanten Gedankenaustausch. Ihr Bild von Dresden und dessen Bewohnern wird bei der Abreise mit hoher Wahrscheinlichkeit ein völlig anderes sein. Statt Abenteuerreise entspannter Bildungsurlaub.
Kommen Sie nach Dresden, die Stadt mit Zwinger, Semperoper, Brühlscher Terrasse, Frauenkirche u. v. a. ist immer eine Reise wert. Vergessen Sie nicht, ins Stadion zu gehen, Dynamo Dresden ist in Dresden hip und in allen gesellschaftlichen Schichten total angesagt. Allen Berichten zum Trotz können Sie sich im Stadion auch als unbedarfter Besucher völlig entspannt und angstfrei bewegen. Genießen Sie das heitere Klima im Elbtal, die Weinberge, die angrenzende Sächsische Schweiz. Fahren Sie mit der Weißen Flotte elbaufwärts ins faszinierende Elbsandsteingebirge. Machen Sie auch einen Abstecher in das über tausendjährige Meißen. Einst diente das Meißner Kanzleideutsch (auch „Sächsische Kanzleisprache“ genannt) als Vorlage für Luthers Bibelübersetzung. Sachsen war vor dem Krieg ein industrielles Schwergewicht, aber das bekommt dieses fleißige und unbeugsame Völkchen auch wieder hin. Sie werden begeistert sein. Die Freundlichkeit der Menschen ist sprichwörtlich, von einigen wenigen Miesepetern einmal abgesehen.
Steffen Meltzer, Herausgeber und Mitautor von „Die hysterische Republik“
Hinweis: Der Beitrag erschien erstmalig am 05.10.2018 und wurde leicht überarbeitet
Hinterlassen Sie einen Kommentar