Titelbild: envato

 

Im Hinblick auf dissoziale Persönlichkeitsstörungen hatte ich bereits angeführt, dass geschätzte 30% aller Gefängnisinsassen als Psychopathen einzustufen sind, mit entsprechend dramatischen Gewaltfolgen, auch im Knast. Nicht umsonst sind Hollywood – Filme, die in vorwiegend amerikanischen Strafanstalten handeln und in denen Haftinsassen, ob als Einzelgänger oder Bandenmitglieder, untereinander die fürchterlichsten Gewalttaten bis hin zur Tötung begehen, absolute Kassenschlager.  Nicht selten werden  Aufsichtspersonal  und Gefängnisdirektor als perverse Menschenquäler dargestellt, die lediglich die Seiten gewechselt haben.  Richtig gruslig wird es dann, wenn Polizisten im Knast landen und ihr ehemaliges Klientel wieder treffen. Ich kenne nur wenige, die sich dieser alptraumhaften Faszination vor dem Bildschirm oder der Kinoleinwand entziehen können. Man denke an Hollywood-Filmklassiker wie beispielsweise die Gefängnisdramen “Brubaker” mit Robert Redford oder “Tango und Cash” mit Sylvester Stallone und Kurt Russel.

Doch wie kann das „wirkliche” Leben in den Strafanstalten Deutschlands aussehen?

In der ARD – Dokumentation „Exklusiv im Ersten, Gewalt hinter Gittern“ der Panorama-Redaktion gab es für die Öffentlichkeit einige sehenswerte Zustandsbeschreibungen. So berichtet der Journalist bei der nachträglichen Befragung eines, übrigens fünf Jahre zu Unrecht eingesessenen, vermeintlichen Sexualstraftäters, wie Verbrecher  über Verbrecher richten und das „pädagogische Umerziehungsprogramm“ in die eigenen Hände bzw. Fäuste nehmen.

So standen ca. 150 Mann „Spalier“ und „begrüßten” den Strafgefangenen. Er bekam erst einmal (nur) eine geklatscht und flüchtete sich daraufhin in das Büro eines Bediensteten.  Anderen ergeht es nicht so gut. Ein Video zeigt, wie ein Mitinsasse erst bewusstlos geschlagen und danach immer wiederauf den wehrlosen Mann eingeprügelt wird.

Es gelingt Gefangenen immer wieder an Drogen zu kommen. Das allein schafft Gewalt. Ein anderer Gefangener berichtete von seiner Gewalterfahrung: Er wurde von drei Leuten in der Dusche festgehalten, woraufhin zwei  weitere Mitinsassen mit Fäusten auf ihn einschlugen und gegen die Wand „knallten“. Er erzählt weiter: Als er neu in den Knast kam, betitelten ihn einige Gefangene brüllend als „Frischfleisch“. Es ginge um Gewalt und Sex, „die wollten was zwischen die Beine haben“. Ein anderer Einsitzender berichtete ebenfalls von Vergewaltigungen unter der Dusche.

Besuch bei Martin W., der die grausame Gefängnishierarchie wie das Organigramm einer Behörde beschreibt. Er stammt ja selbst aus Polen und dokumentiert, dass die osteuropäischen Insassen, vor allem polnische und russische, den Ton angeben, da sie brutaler als die Deutschen sind. So gibt es einen Chef, die Neuen sind erst einmal nur Fußsoldaten. Diese bekommen kleine Aufträge, wie Drogendeals, Geld eintreiben oder  Leute verprügeln, die Fehler gemacht haben. Das alles ist richtig gut organisiert und verlaufe reibungslos. Nicht jeder wird in die Bande aufgenommen. Vorher werden Informationen über den Neuling eingeholt, damit vermieden wird, dass ein V-Mann bzw. Polizeispitzel in die Gruppe integriert wird. Abgelehnt werden auch Zinker (die im Knast Leute verraten) oder Arschkriecher. Wenn man dass alles gut macht, dann kommt man mit der Zeit auch in der Hackordnung hoch. Er selbst habe schlussendlich auf dem Thron gesessen und eine eigene Abteilung von 120 Mann unter sich gehabt.

Wenn es Konflikte gibt, dann kommen die Klienten zu ihm und berichten erst einmal wie die Lage ist. Beispielsweise, wenn ein Mithäftling seine Drogen nicht bezahlt hat, oder diese nicht, wie vereinbart abgenommen hat. Dann würde sofort reagiert. So hat er einem Deutschen auf Arbeit die Hand in die Presse gehalten, dabei wurden diesem vier Finger durchgebrochen. Als der Reporter fragte, was passiert wenn dann jemand zum Personal geht und diesem berichtet? „Bitteschön dann machen Sie, aber denken sie daran, egal wo sie sind, ich erreiche sie immer, nicht persönlich, dass kann auch jemand aus meinem Umfeld sein“- war die Antwort von Martin W.

Der Knastkönig hat auch eine „soziale Ader“. Wenn jemand neu im Knast ist und auf keinen Fall diese Gewalt will, darf er zu ihm kommen und um Hilfe bitten. Selbstverständlich würde er dann den Mann unterstützen, gegen eine regelmäßige Gebühr versteht sich. Mit anderen Worten, der Ängstliche müsse dann Schutzgeld nach Mafiamanier bezahlen oder sich selbst helfen, wie das ausgehe, sei ja wohl klar.

Die erste Grundregel im Knast lautet: “Nicht anscheißen!“

Dadurch wird viel Demütigung und Gewalt erduldet, ohne dass die Vollzugsbeamten in ihren Anstalten von diesen kriminellen Handlungen erfahren.

Ein weiteres Beispiel:

Michael B. ist kaputt fürs Leben, er ist nicht mehr in der Lage, zu vergessen, was ihm angetan wurde. So musste das Opfer in der Strafanstalt Essen auf dem Klo schlafen. Er wurde geschlagen wenn er beim Kartenspielen eine falsche Karte gelegt hatte. Mit der Unsicherheit von Micheal B. wuchs gleichzeitig die Selbstsicherheit und Überheblichkeit des Täters. Nachdem er eine Woche lang drangsaliert wurden ist, meldete er den Vorfall einem Beamten auf der Station. Daraufhin wurde der Quäler in eine andere Haftanstalt verlegt. Er musste dafür schlimm bezahlen.

Ab nun begannen weitere Torturen, da er nun als „Verräter“ galt. So wurde er bald daraufhin in den Waschraum gezogen und dort von vier Leuten gleichzeitig vermöbelt. Es gab Schläge auf die Leber, Milz und weitere innere Organe, damit keine Spuren zu sehen waren.  Außerdem auch sexuelle Übergriffe, d.h., er wurde regelmäßig von der Gruppe vergewaltigt. War der Letzte damit fertig, fing der Erste wieder an und das passierte von nun an täglich. Er hatte keine Chance, um Hilfe zu rufen. Zum Finale wurde ein Seil an ein Fenster geflochten. Die anderen Häftlinge wollten Micheal B. aufhängen und es als Selbstmord aussehen lassen. Denn wären die Taten ans Tageslicht gekommen, hätte das für die Menschenquäler fatale strafrechtliche Konsequenzen gehabt. Nur einem besonders aufmerksamen Stationsbeamten hat  es der Gefolterte  zu verdanken, dass die Situation doch noch aufgefallen ist und er knapp mit seinem Leben davonkam. Er wurde daraufhin unter Geheimhaltung in ein anderes Gefängnis verlegt.

Auch die Berichte aus anderen Gefängnisanstalten zeichnen wenig gute Nachrichten auf. Aus einem Hamburger Gefängnis wurden Folterszenen gemeldet. In der Jugendstrafanstalt Lichtershausen passierte hinter den Mauern Körperverletzungen und Nötigungen, vor Jahren gar ein Mord. Das Opfer entkam nur knapp dem Tod. Das Erfurter Landgericht verurteilte zwei Insassen, die einen 17-jährigen Kleinkriminellen tagelang gefoltert hatten. Das Opfer wurde mit einer Metallstange und einem nassen Handtuch auf Kopf und Brust geschlagen und mit Fäusten traktiert. Ihm wurden mit einem Feuerzeug Brandwunden zugefügt, außerdem gemäß Urteil, mit einer Nadel in den Oberschenkel gestochen dazu mit einer Rasierklinge in Finger, Penis und Rücken geritzt. Auch sexuell hätten sie ihr Opfer gequält, so dass dieser heute noch davon Alpträume habe.

Der Anwalt des Opfers berichtet gegenüber dem Reporter, dass solche Fälle an der Tagesordnung seien, aber nur ganz selten an die Öffentlichkeit gelangen. Der zuständige Richter warf bei seiner Urteilsverkündung die Frage auf, ob Justiz und Gesellschaft gerade jugendliche Straftäter immer richtig behandelt und gerade bei Jugendlichen dadurch immer mehr Gewalt  für die Zukunft produziert würde.

Der Leiter einer Justizvollzugsanstalt redet Klartext und versucht im Interview mutig offen, kritisch und auch selbstkritisch zu sein. Er spricht davon, dass Gewalt leider im Gefängnisalltag vorkommt. Die Gefangenen können nicht 24h, Schulter an Schulter, ununterbrochen überwacht werden. Es ist aber so, dass Gewalt nicht offen auf den Fluren vorkomme, sondern Gewalttaten passieren verdeckt, selten in Gegenwart der Bediensteten.

Längst nicht alle Stellen werden neu besetzt, wenn Beamte in den Ruhestand gehen. Auch werde zu wenig Nachwuchs ausgebildet. Es sei alarmierend, wie viele Bedienstete sich wegen extremer Belastung krankschreiben lassen. Der JVA – Chef wünscht sich auf Nachfrage eine Politik, die ihm genügend Personal dafür gibt, dass er die  gesetzlichen Anforderungen, die ebenfalls von der Politik vorgegeben werden, in seiner Strafvollzugsanstalt auch umsetzen kann.

Vollzugsbeamte sind Menschen, wie du und ich. Beamte die Gewalterlebnisse hatten, verarbeiten diese völlig unterschiedlich. Manche JVA-Beschäftigte öffnen sich gegenüber Kollegen, Freunden oder Familie, um das Erlebte zu verarbeiten. Andere wiederum neigen dazu,  später bei Gewalttaten wegzuschauen oder bei einer lautstarken Auseinandersetzung wegzugehen, ohne die Ursachen des Konfliktes zu ergründen bzw. diesen nachzugehen.

Am 18.08.2014 meldet die Märkische Allgemeine Zeitung: Auf Anfrage teilt das Justizministerium in Potsdam mit, dass aufgrund eines Personalmangels in den JVA’s der Stadt Brandenburg und Neuruppin – Wulkow, bereits seit zwei Jahren kein Antigewalttraining mehr stattfinden kann.

Dazu kann ich nur sagen, hier hat man wieder  einmal ein deutliches Beispiel dafür, dass an der falschen Stelle gespart wird. Es ist zwar von keiner „Läuterung“ eines Gewaltverbrechers durch dieses Trainings auszugehen, aber wenn durch diese Maßnahmen auch „nur“ einer Handvoll Einsitzenden dahingehend geholfen wird, dass diese nie mehr rückfällig werden, gehen die Nachfolgeeinsparungen in die Millionenhöhe. Dann werden keine Polizei, Staatsanwaltschaft, Gerichte und Kosten für eine erneute Unterbringung, mit Personaleinsparungen in den Haftanstalten, benötigt. Das wäre doch sinnvoll, oder?

Noch einige Beispiele:

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