Autor Klaus Kelle:

Dass Hamburger Studenten am Mittwoch eine Vorlesung des Ökonomieprofessors Bernd Lucke verhindern konnten, ist ein handfester Skandal. „Nazischweine raus aus der Uni“ skandierten mehrere Hundert Demonstranten und lehnten jede Art der Kommunikation mit dem Hochschullehrer ab.

Was man Lucke vorwirft? Er gehörte zu den Gründern der Alternative für Deutschland (AfD), einst gegründet als „Professorenpartei“ gegen eine Europäische Union, in der Deutschlands Sparer für die horrenden Schulden anderer EU-Staaten wie Griechenland haften sollten. Lucke zog mit sechs weiteren Abgeordneten, darunter Hans-Olaf Henkel, Prof. Joachim Starbatty und Ulrike Trebesius, ins Europaparlament ein.

Heute gilt die AfD als rechtskonservative Partei, die man nicht mögen oder wählen muss, aber die im aktuellen Deutschen Bundestag die größte Oppositionspartei ist – mit den Stimmen von sechs Millionen Wählern in einer freien, gleichen und geheimen Wahl gewählt.

Lucke ist weder radikal noch rechtsextrem

Bernd Lucke hatte sich an der Spitze der AfD nachweislich immer wieder gegen den sich entwickelnden Rechtskurs der Partei und dem „Flügel“ Björn Höckes gestellt. Als Lucke als Vorsitzender gestürzt wurde, verließ er die Partei zusammen mit 9.000 anderen Mitgliedern und gründete eine neue Partei mit dem Namen „Liberal-Konservative Reformer“ (LKR), die bei der Europawahl im Mai mit 0,1 Prozent krachend scheiterte. Sein im April erschienenes Buch „Systemausfall“ enthält lange Passagen, in denen sich der Autor energisch vom rechten Rand seiner früheren Partei abgrenzt.

An Bernd Lucke ist nichts, aber auch gar nichts radikal oder extremistisch. Seine Themen sind die EU, der Euro und das internationale Finanzsystem. Und da ist er ein Experte par excellence. Als ich ihn im Dezember 2018 in Brüssel kennenlernte, referierte er mir aus dem Stegreif die Probleme mit der Gemeinschaftswährung. Drei Stunden lang. Ich habe dabei so viel über Währungen und finanzpolitische Zusammenhänge gelernt, wie in meinem ganzen Leben vorher nicht.

Die krakeelenden Studenten am Mittwoch, die den höflichen Wunsch Luckes, etwas sagen zu dürfen, barsch ablehnten, hätten ihn mit Blumen und Beifall empfangen sollen – jedenfalls, wenn ihnen etwas an ihrem Studium läge. Aber sie brüllten herum, Kehlkopf statt Kopf. Und, schlimm genug, Lucke ist ja nicht der Einzige.

Bürgerliche werden am Reden gehindert

Im Deutschland der angeblich so bunten Vielfalt, werden immer häufiger Fachleute aus der sogenannten bürgerlichen Mitte unserer Gesellschaft am Reden in den Hochschulen gehindert. So wie Polizeigewerkschafter Rainer Wendt (CDU-Mitglied), der von der Goethe-Universität in Frankfurt ausgeladen wurde, einen Vortrag zum Thema „Polizeialltag in der Einwanderungsgesellschaft“ zu halten. Oder der Kasseler Evolutionsbiologe Ulrich Kutschera, der zu Recht feststellt, dass das Fach „Gender Studis“ unwissenschaftlicher Unsinn ist, der „300 Jahren biologischer Forschung widerspricht“. Sein geplanter Vortrag an der Uni Marburg wurde nach Protesten linker Aktivisten abgesagt. Wer dem politischen Mainstream widerspricht, der ist raus.

Andererseits haben etwa Israelfeinde mit Palästinenserhintergrund oder Linksextremisten aller Coleur jederzeit das große Forum deutscher Hochschulen. So fand etwa am 7. Mai 2014 in den Räumen der Bergischen Universität in Wuppertal die „9. Konferenz der Palästinenser in Europa“ statt. Unter den rund 5.000 Teilnehmern befanden sich hochrangige Vertreter der palästinensischen Terrorgruppe Hamas, wie Hamas-Funktionär Abd al-Aziz Duwaik oder Scheich Ra’ad Salah, Führer der islamischen Bewegung in Nordisrael.

Freiheit der Lehre: Nicht für Lucke?

Schon 2017 warnte Jenovan Krishnan, damals Bundesvorsitzender des Ringes Christlich-Demokratischer Studenten (RDS) in einem Interview in der „Welt“: „Im Vorfeld des G-20-Gipfels haben linke Hochschulgruppen in Hamburg Universitätsräume angemietet, um Trockenübungen für Demonstrationen und Proteste zu üben. In Workshops probten sie den Ernstfall, wie man sich gegenüber der Polizei zu verhalten hat.“

Ist das im Sinne unseres Grundgesetzes, wo es im Artikel 5, Absatz 3 heißt: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.“? G20-Blockade-Vorbereitungen werden geduldet, Vorlesungen von Bernd Lucke nicht? Fallen Lucke, Wendt, Kutschera und andere nicht unter diese garantierte Freiheit? Und wer fragt, ob die G20-Gewalttäter treu zu unserer Verfassung stehen? Ja, warum fragt das eigentlich überhaupt niemand?

Die Leitung der Hamburger Universität hätte Luckes Recht zu reden am Mittwoch durchsetzen müssen. Ja, müssen! Diese Gesellschaft darf nicht zulassen, dass die verfassungsrechtlich geschützte Freiheit der Wissenschaft in Deutschland von einem Trillerpfeifen-Mob in Frage gestellt wird. Das Wesen der Meinungsfreiheit ist, dass sie frei ist, die Meinung. Eines jeden, außer denen, die zu offener Gewalt aufrufen oder den Holocaust leugnen. Solche Leute gehören nicht an ein Rednerpult einer Hochschule hierzulande. Und für alle anderen gilt die Freiheit von Lehre und Forschung.

.

Klaus Kelle hat u. a. für Medienhäuser wie Axel Springer, Gruner & Jahr gearbeitet. Seine Seite: www.denken-erwuenscht.com.