Autor Alexander Freitag

Natürlich kann man den ZDF-Interviewgau nach Abschluss des Champions-League-Finales sportlich nehmen. Passiert halt schon mal. Haken dran. Und generell würde ich das, abseits eines gewissen Spotts über einen bräsigen ÖR, auch so sehen. Wenn man aber mal aus der Vogelperspektive drauf schaut, ergibt sich auch eine andere Sichtweise.

Beginnend beim ZDF-Rasenreporter, der im Frollein-Rottenmeier-Stil den eben erfolgreichen Sportler zunächst indirekt fragend daran erinnert, dass er und seine Mannschaft ja eigentlich gar nicht so dolle gespielt hätten – der germanische Neidreflex lässt da verdrießlich grüßen. Auch die zweite Frage geht in diese Richtung, denn der ÖR-Journalist sieht sich ganz offenkundig in der Position, aufklärend zu wirken. Daraufhin erhält er vom schon genannten, eben erfolgreichen Sportler eine erfrischend klare Ansage, nach der er 90 Minuten Zeit hatte, sich vernünftige Fragen auszudenken – und dabei bis hierhin erkennbar gescheitert ist. Anstatt also nun umzuschalten, und einzusehen, dass es so nicht funktioniert, schiebt der famose ZDF-Rasenreporter, immer noch beseelt vom Auftrage der sachlichen Aufklärung, eine dritte Frage hinterher, die der Dämlichkeit der beiden vorherigen Fragen schnurstracks folgt. Das Ergebnis ist bekannt: Der erfolgreiche Sportler hat keine Lust mehr auf den verkniffenen Deutschen im Reporter-Gewand – und bricht das Interview einfach ab.

Beim Blick auf den Sportler fallen ein paar Dinge auf. Kroos ist einer der erfolgreichsten deutschen Fußballer der jüngeren Geschichte. Weltmeister, nunmehr fünffacher CL-Sieger, leistungsbetont. Seit etlichen Jahren lebt er fern der verkniffen gewordenen Heimat, die sich mit leistungslosem Buntheitsgedöns feiert – ohne indessen dabei Titel oder Erfolge zu erzielen. Kroos lebt in einer völlig anderen kulturellen Welt, weitab deutschen Besserwissens und Moralgetue. Bodenständig, Familienmensch, klassischen Lebensweisen folgend, die es in den ach so progressiven deutschen Landen, wg. Diversität und so, zwischenzeitlich sehr schwer haben. Und ist extrem erfolgreich dabei. Seine Laufbahn in der Regenbogen-Mannschaft des DFB hat er, wohl einer gewissen Konsequenz folgend, zwischenzeitlich beendet.

Fassen wir zusammen: Kroos, international, klassisch-familiär und leistungsbetont lebend, trifft auf bräsig-besserwissenden Moraldeutschen. Und lässt diesen, nach dem er sich zwei, drei Sätze von ihm angehört hat, einfach stehen. Es ist die protoptypische Situation der weltfremden Deutschen, die immer noch meinen, dass sie mit ihrem größenwahnsinnigen Rechtgehabe zur progressiven Avantgarde gehören, dem der Rest der Welt begeistert zuhören würde. Kroos ist in dieser Nussschalen-Situation der Rest der Welt, der diese dussligen Deutschen so restlos satt hat, dass er sie einfach stehen lässt.

„Jetzt isser weg!“, wusste der düpierte ZDF-Rasenreporter verdutzt in die Kamera schauend zu berichten. Ja, genau: Da war er weg. Wie alle anderen auch, die keine Lust mehr haben auf diese Deutschen. Und lieber zu den anderen gehen, die Leistung feiern. Und Emotionen teilen, statt ideologische Rechthaberei zu betreiben. Das verdutzte Gesicht des deutschen ÖR-Rasenreporters und seinen Satz sollte man sich merken: Es ist die Erfahrung, die den Deutschen zukünftig regelmäßig widerfahren wird: Man wird ihnen zwei, drei Sätze lang zuhören – und sie dann einfach stehen lassen.

Man könnte diesen Vorgang, wenn man denn will, mit dem Begriff „Kroosen“ ikonisieren.

Zum Autor: Alexander Freitag ist Wirtschaftspsychologe und Lehrbeauftragter für Präklinische Notfallmedizin & Psychiatrie. Er ist Mitautor des Buches „Die hysterische Republik“.


Anm. Steffen Meltzer: Bei Gastbeiträgen handelt es sich um persönliche Meinungen der jeweiligen Autoren. Die Bewertungen überlasse ich erwachsenen und mündigen Lesern. Meiner Kommentare bedarf es dazu nicht.


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