Autor: Steffen Meltzer
Während sich die Bundes-GdP (Gewerkschaft der Polizei) vorwiegend dem „Kampf gegen rechts“ verschrieben hat, müssen Polizeibeamte an der Basis die Widersprüche zwischen den befohlenen Corona-Repressionen und den Protesten von Teilen der Bevölkerung ausbaden. Der polizeiliche Einspruch kommt, wie könnte es anders sein, von der sächsischen GdP, die nicht mehr aus den Stiefeln kommt und besonders hart mit den Umsetzungen der Corona-Einschränkungen konfrontiert wird.
„Angesichts der sich Woche für Woche wiederholenden und ausweitenden Versammlungslagen und der sich daraus ergebenden Polizeieinsätze lässt uns das Gefühl nicht los, dass die Polizei als Ersatz des politischen Meinungsstreits missbraucht wird. Gesellschaftliche Probleme lassen sich aber grundsätzlich nicht mit polizeilichen Mitteln lösen.“, so der GdP-Landeschef Hagen Husgen.
Bild ergänzt mit weiteren Aussagen des Gewerkschaftschefs: „Die Polizei darf nicht verheizt werden! Wir können nicht bei jeder kleinen Demo sein, sondern müssen uns auf Orte konzentrieren, wo gewaltbereite Extremisten unser System angreifen.“
Weiter erklärt die sächsische GdP auf ihrer Homepage: „Die Polizei muss durch eine lebensnahe Rechtslage in die Lage versetzt werden, sich auf gewalttätige Verläufe, die durch Extremisten provoziert werden, zu konzentrieren. Es darf nicht Aufgabe der Polizei sein, einen breit auf der Straße ausgeführten Meinungsstreit, sofern er friedlich ist, mit polizeilichen Mitteln zu stoppen, nur weil die Politik diesen Disput an die Polizei outgesourct hat.“
Deeskalation auf einmal kritikwürdig?
Ich kann diese Sätze nur unterstreichen. Keine Polizei der Welt ist in der Lage, gesellschaftliche Fehlentwicklungen mit polizeilichen Mitteln zu stoppen. Die Geschichte zeigt deren Beispiele zur Genüge. Es ist ein Paradoxon, dass ausgerechnet die Akteure den Schwarzen Peter für ihre rigorose Politik an die Polizei weiterschieben, die Polizisten mit einem Rassismus- und Diskriminierungs-Generalverdacht schändlich stigmatisiert haben. In den letzten Monaten gab es zahlreiche Versuche, die Polizei für politische Zwecke zu missbrauchen oder zu instrumentalisieren. Das betraf nicht nur die grüne Bundestagsabgeordnete Saskia Weißhaupt, die gegen Corona-Protestler keinen Millimeter weichen will und die Polizei auffordert, „Pfefferspray und Schlagstöcke“ einzusetzen. (Nunmehr sieht sie sich als Opfer eines „rechtspopulistischen Shitstorms“.) Der eigentliche Skandal ist die politisch und medial weit verbreitete Geringschätzung der Demonstrationsfreiheit in einschlägigen Kreisen. Dieses defizitäre Demokratieverständnis gegenüber friedlichen Protesten scheint sich noch schneller als der Corona-Virus zu verbreiten. Das zeigt auch folgendes Beispiel:
Die dpa beklagt sich darüber bei der Polizei, dass es während einer Montagsdemonstration in Koblenz zur folgenden polizeilichen Durchsage kam: Ein Polizeifahrzeug wird „Ihre Versammlung sehr gerne anführen, um Ihnen einen Weg durch die Stadt zu bahnen. Wir warten nur auf Ihre Kollegen, Kameraden und Versammlungsteilnehmer, die in die falsche Richtung gelaufen sind.“
Ein Polizeisprecher teilte der dpa mit, laut Rechtsprechung rechtfertige das Fehlen einer Anmeldung für eine Demo nicht deren Auflösung, wenn sie friedlich verlaufe. „Dementsprechend wurde auch eine Gegendemonstration, welche ebenfalls nicht angemeldet war, nicht aufgelöst.“ Mit dem Lautsprecherwagen suchte die Polizei dem Sprecher zufolge mangels eines benannten Versammlungsleiters den direkten Kontakt zu den Demonstranten: „Dies hat maßgeblich zu dem störungsfreien und friedlichen Verlauf beigetragen.“ Dafür habe sich die Polizei abschließend bedankt: „Wie Sie sicherlich wissen, ging es bei den vorherigen Versammlungslagen nicht immer friedlich zu.“
„Bin nicht Polizist geworden, um Omas zu kontrollieren“
Die Aufregung über diese „deeskalierende“ Lautsprecherdurchsage, die vor allem der Gefahrenabwehr für beteiligte und unbeteiligte Bürger dient, war an den folgenden Tagen in allen Leitmedien bis hin zur Lokalpresse im Tonfall maximaler Empörung nachzulesen. Wenn es nach einigen polizeitaktischen Amateuren der Linken, Grünen und deren treu verbundenen Journalisten geht, würden uns durch ein weiteres Anheizen bald bürgerkriegsähnliche Zustände bevorstehen. Um diese zu vermeiden, ist es auch notwendig, tatsächliche Extremisten, die die Corona-Demonstrationen für ihre unheiligen Zwecke ausnutzen wollen, konsequent und zeitnah zu bekämpfen. Friedliche Menschen, die ihr Demonstrationsrecht in Anspruch nehmen, dürfen nicht pauschal mit Rechtsextremen vermischt werden, denn das hatte bisher immer eine Radikalisierung zur Folge. Das Gleiche trifft auf eine selektive Negativberichterstattung zu, die sich ausschließlich auf gewaltsame Demonstranten und Maskenverstöße (lediglich Ordnungswidrigkeit, die keinen Wasserwerfereinsatz rechtfertigt) konzentriert. Davon einmal abgesehen, dass in der Wissenschaft Einigkeit darüber besteht, dass es an der frischen Luft so gut wie keine Ansteckungsgefahr durch Aerosole gibt. Die Gründe für eine Maskenpflicht im Freien müssen damit andere sein…
Die andauernden Corona-Proteste hinterlassen bei den Polizeibeamten tiefe Spuren. Das trifft ebenso auf die Dauerschleife an Nazi-Unterstellungen zu, um Polizisten als „Klassenkämpfer“ für die eigene politische Agenda einzuspannen.
Nach einer polizeiinternen Studie* gehen „in Sachsen knapp jedem dritten Polizisten (32 Prozent) die Maßnahmen und Corona-Beschränkungen zu weit. In den Freitextkommentaren war u.a. zu lesen, dass die Interventionen aus ihrer Sicht nicht selten ‚verfassungsmäßig zweifelhaft‘ seien und sie das ‚fragile gesellschaftliche Vertrauen in die Polizei erschüttern bzw. vorhandenes Misstrauen vertiefen‘.“ Weiterhin hieß es, die „Befragten zeigten sich befremdet über ihre Aufgaben im Zuge der Durchsetzung der Corona-Maßnahmen“. Ein weiterer Kommentar lautet: „Ich bin nicht Polizist geworden, um Leute zu bespitzeln oder herauszufinden, ob drei Omas im Park aus zwei oder drei Haushalten stammen. Dafür sollte man ehemalige Stasi-Mitarbeiter einsetzen! Bürger werden zur Denunziation verleitet, das finde ich nicht gut!“
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt: 32 Prozent der Polizeibeamten beurteilen die Maßnahmen jedoch als „genau richtig“ und 25 Prozent finden, sie gehen „nicht weit genug“. Je höher die Laufbahn und der Rang, desto höher fällt die Zustimmung zur den Corona-Maßnahmen aus. Wenn man einige Demonstrationen beobachtet, findet man den Unterschied. Einigen Beamten ist die Wut auf die Demonstranten anzumerken, andere dürften zunehmend verzweifelt sein.
Innenministerium hielt Studie unter Verschluss
Das Sächsische Innenministerium zeigte sich im Frühjahr 2021 über die nicht in Auftrag gegebene Studie verärgert und hielt sie unter Verschluss. Die Ergebnisse waren jedoch in mehreren Veröffentlichungen nachzulesen. Inzwischen ist der Forschungsbericht im Internet abrufbar (Link vorletzte Seite). Noch interessanter wäre es, den Forschungsbericht zu evaluieren, um zu sehen, wohin sich die Koordinaten verschoben haben. Vermutlich wird man diese erneute Untersuchung scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Das trifft auch auf eine bundesweite Dunkelfeldstudie zu, um endlich einmal die tatsächliche Kriminalität aufzuhellen. Deutlich motivierter ist man hingegen bei einer beabsichtigten landesweiten Rassismusstudie in der Polizei.
Die Corona-Politik sorgt für eine Polarisierungsspirale, die auch die Polizei und ihre Beamten zunehmend ergreifen wird. Wenn die herrschende Politik klug ist, hört sie genau hin, was erfahrene Polizisten und Gewerkschaftsfunktionäre mitzuteilen haben. Das Gleiche sollte aus meiner Sicht auch für verantwortliche Politiker zutreffen, die den friedlichen Demonstranten zuhören sollten.
* Christoph Meißelbach, Reinhold Melcher, et al., Sächsisches Institut für Polizei- und Sicherheitsforschung (SIPS), Forschungsbericht „Polizeidienst in Krisenzeiten – Befragung der Bediensteten der Polizei Sachsen zur Corona-Pandemie“, April 2021
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