Als der Drogendealer Vitalij K. (37) bei einer Routine-Fahrzeugkontrolle plötzlich das Feuer auf mehrere Polizeibeamte eröffnete und einen Polizisten verletzte, liefen die zwei Polizistinnen, die mit im Einsatz waren, kopflos davon. Eine Beamtin: „Meine Kollegin schrie nur noch: Nix wie weg hier! Renn! Renn!“ Die beiden bewaffneten Frauen machten sich aus dem Staub, ohne sich um ihren verletzten Kameraden zu kümmern, der auf der Straße lag.
Wer aufmerksam die sozialen Netzwerke und die Medien verfolgt, wird auf Szenen stoßen, in denen weibliche Polizeibeamte bei körperlichen Auseinandersetzungen zusammengeschlagen werden. Andere Videos zeigen Polizistinnen, die neben ihren männlichen Kollegen „unglücklich“ agieren, bzw. von Personen aus archaischen Kulturkreisen schlicht negiert werden. Der einstige, weit verbreitete Spruch, Täter hätten gegenüber Frauen in Uniform „Beißhemmung“, beschreibt höchstens die Vergangenheit. Die zunehmende Brutalität trifft weibliche wie männliche Polizeibeamte.
Eine weitere zusätzliche Belastung ist der mittlerweile kultivierte Generalverdacht, die Polizei sei gewalttätig, rechtsextrem oder rassistisch. Einige Landesinnenminister zeigen diesbezüglich einen bemerkenswerten Aktionismus und richten allerlei anonyme Meldetelefone ein, schaffen Stellen für „Rassismusbeauftragte“ und/ oder dekretieren einen „Spitzel-Erlass“ (so Cathleen Martin, die sächsische Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) ). In Berlin wurde ein sogenanntes Antidiskriminierungsgesetz verabschiedet, das nichts anderes tut, als die eigenen Beamten durch eine Beweislastumkehr zu diskriminieren. Medial aufgebauschte Pseudostudien, wie die der Universität Bochum, die nach einer fragwürdigen Methodik (Internetumfragen für „Betroffene“) erstellt wurden, tragen zusätzlich zu gesellschaftlichem und psychologischem Druck bei, dem nicht mehr jeder Beamte ausreichend gewachsen ist. Hinzu kommt das übliche Mobbing untereinander. Dementsprechend hoch sind der Krankenstand und die Suizidrate in den Reihen der Polizei. Allein 2020 sind dem Autor drei Suizide in Brandenburg bekannt geworden,(die Zahl muss nicht vollständig sein), Polizisten in den besten Jahren ihres Lebens, die keinen anderen Ausweg wussten, als sich mit der eigenen Dienstwaffe zu erschießen. Darunter eine frisch ausgebildete junge Polizeikommissarin, die einen Abschiedsbrief mit einem dienstlichen Bezug hinterlassen hatte.
Zu guter Letzt werden Beamte mit überlebensnotwendigen Ausbildungsinhalten im Stich gelassen. In Brandenburg gab es zum Beispiel jahrzehntelang keine spezielle Fortbildung zum Umgang mit psychisch gestörten Straftätern im polizeilichen Einsatz. Das traurige, aber vermeidbare Ergebnis in diesem Bundesland sind mehrere getötete und schwer verletzte Polizeibeamte.
Es gibt keine Entschuldigung
Um es vorwegzunehmen, für das Verhalten der beiden Beamtinnen kann es kein dienstliches Verständnis geben. Während die Schüsse fielen, der eigene Kollege (29) verletzt auf der Straße lag und sein Streifenpartner (23) das Feuer erwiderte, sollen sich die beiden Frauen (32, 39) nach einem Medienbericht zunächst hinter ihrem Funkstreifenwagen versteckt haben. Danach hätten sie sich unauffällig entfernt. Sollte das zutreffen, ist die Frage zu stellen: Wie konnten die beiden Polizistinnen ihr Studium und die sich anschließende obligatorische Fortbildung bestehen?
Jetzt müssen zum Aus- und Fortbildungsstand sowie bei der Personalauswahl in den Assessment-Centern gründliche Ursachenforschungen betrieben werden. Die Defizite betreffen neben der individuellen Schuld der Beamtinnen vor allem die Führungsebene. Bei der Letzteren fängt es regelmäßig an, schwierig zu werden.
Die schönen Zeiten in der Polizei sind nicht vorbei, es hat sie nie gegeben, auch wenn das in den Werbebroschüren immer wieder gern behauptet wird. Jeder von uns kennt die wunderbaren Hochglanzprojekte mit den attraktiven in Szene gesetzten Model-Polizistinnen. Diese Illusionen wecken falsche Erwartungen. Entsprechend groß ist die Abbruchquote im Studium (höherer Dienst) bzw. der Ausbildung (mittlerer Dienst). Davon einmal abgesehen, kann der Beruf eines Polizisten sehr erfüllend sein. Die wenigsten scheitern – wie in diesem Fall – an den Aufgaben, sondern an den inneren Verwerfungen. Das Menschenbild ist ausbaufähig.
Ich habe in meiner beruflichen Laufbahn tatsächlich zwei taffe Polizistinnen in Leitungsfunktionen erlebt, die an sozialer und fachlicher Intelligenz anderen, männlichen Vorgesetzten überlegen waren bzw. sind. Die ganz große Karriere wurde es trotzdem nicht. Sie sind einfach zu klug, um ihr gesamtes Dasein vollständig an einen Apparat zu verkaufen. Das falsche Leben für Orden und bunte Bändchen leben vor allem Männer.
Die andere Seite
Viele der jungen Frauen machen eine erstklassige Arbeit im täglichen Wach-und Wechsel-Dienst (WWD) oder als Ermittlerinnen in der Kriminalpolizei. Die meisten sind nach meiner Erfahrung in der Rechtschreibung (Polizeiarbeit ist vor allem Schreibarbeit), mündlicher Ausdruckweise und dem individuellen Anpassungsvermögen gegenüber Vorgesetzten besser aufgestellt als ihre männlichen Kollegen. Sie bekommen oftmals die höheren Punktzahlen in den Beurteilungen. Die Bereitschaft, eine Leitungsfunktion zu übernehmen, ist trotz aller möglichen Förderprogramme für Frauen deutlich weniger ausgeprägt. Die sich trotzdem bewerben, werden händeringend genommen, um Quoten zu erfüllen, damit die Behörde gut dasteht. Leider sind es dadurch nicht immer die Besten der Besten. Wenn man den Beruf insgesamt betrachtet, kann man keinesfalls davon sprechen, dass Frauen die besseren Polizisten oder Vorgesetzten wären. Frauen bringen nicht nur Vorteile auf manchen Gebieten mit, sondern teilweise auch Nachteile.
Die übergroße Mehrzahl der Polizisten und Polizistinnen beherrscht ihre persönliche Waffe gut bis sehr gut. Es gibt jedoch auch diejenigen, die ihre Waffe nicht als normales Handwerkszeug betrachten, das man routiniert mit sich führt und ggf. einsetzen muss, sondern als Fremdkörper, mit dem man am liebsten nichts zu tun haben will. Verkehrskontrollen (und Verfolgungsfahrten) gehören mit zu den gefährlichsten Einsätzen und werden (normalerweise) intensiv trainiert. Wie kommt es, dass die Beamtinnen „plötzlich“ versagen und ihre mangelnde Einsatzkompetenz kaschieren konnten? Die eingangs geschilderte „Schießerei“ ist eine wahrgenommene lebensgefährliche Hochstresslage. Dann sind erlernte und gedrillte Fertigkeiten notwendig, die im Unterbewusstsein und dem Muskelgedächtnis automatisiert sind. Nur dadurch hat das Gehirn genügend Ressourcen zu Verfügung, willentlich und lageangepasst selbst auf Lebensgefahren zu reagieren.
Was hat dazu geführt, dass die erlernten Prozesse und der freie Wille durch prähistorische primitive Urinstinkte – Erstarren, Angriff und Flucht – überschrieben wurden? Dysfunktionaler Stress frisst Intelligenz durch eine beträchtliche Diskrepanz zwischen objektiven Anforderungen und subjektiven Voraussetzungen, die sich in der lagebedingten Hilflosigkeit sichtbar manifestiert hat. Angst blockiert professionelles Handeln, wer sich als Ausrede, wie in diesem Fall, darauf beruft, hat die Berufung verfehlt. Halbfertigkeiten sind Unfertigkeiten, eine Gefahr für sich selbst, das Team und die Bevölkerung.
Diese Fragen muss ein Gericht mit entsprechenden Gutachtern beantworten. Bis zum Urteil (Anklage im April 2021) gilt in jedem Fall die juristische Unschuldsvermutung.
Corona: Ausreichend Personal? Kein Problem!
Unabhängig vom Versagen der beiden erfahrenen (!) Beamtinnen muss konstatiert werden, dass unsere Polizei auf die Veränderungen seit 2015 suboptimal vorbereitet wurde und wird. Die zunehmende Brutalität einer sich immer mehr polarisierenden Gesellschaft wirkt sich natürlich auch massiv auf die Polizei aus. Jahrelang wurden die Polizei und damit auch der WWD durch die herrschende Politik durch einen drastischen Stellenabbau geschröpft. Je weniger Personal zur Verfügung steht, desto weniger Beamte kann der Vorgesetzte zum notwendigen Training schicken. Irgendjemand muss schließlich noch die täglichen Aufgaben absolvieren. Ergo, je weniger Beamte zur Verfügung stehen, desto größer gleichzeitig der Aufgabenaufwuchs, desto schlechter die Fortbildungsqualität.
Was andererseits möglich ist, sieht man daran, wie viel Polizei plötzlich auf den Straßen präsent ist. Allerdings vorwiegend zur Durchsetzung der Maskenpflicht und anderer Corona-Repressionen. Besonders konsequent muss gegen Demonstranten durchgegriffen werden, die die Corona-Regeln kritisieren. Dann gibt es auch von der Seite viel Lob, die ansonsten die gleiche Institution am liebsten abschaffen würde.
Das wichtigste Verhütungsmittel: eine perfekte Statistik
Nichts lässt sich willkürlicher inszenieren als statistische Erfassungen. Man kann beliebig jeden Negativ-Trend als etwas Positives verkaufen oder umgekehrt, wenn man ausgesuchte Zahlen untereinander nur selektiv ins Verhältnis setzt.
Die zunehmende Brutalisierung der Gesellschaft wird damit „kompensiert“, dass Politiker mit als Erfolgsmeldungen präsentierten Kriminalstatistiken aufwarten, um unerwünschte Entwicklungen unter den Tisch fallen zu lassen.
Beispiel: das Zitat aus einem Innenministerium: „Brandenburg ist erneut ein Stück weit sicherer geworden. Die insgesamt erfreuliche Entwicklung der Kriminalstatistik setzte sich auch im Jahr 2019 fort, die Gesamtzahl der Straftaten ist weiter zurückgegangen.“ Soweit zur Erfolgsmeldekultur.
Nun zur ungeschönten Realität dieses Bundeslandes: Der Rückgang der Diebstähle (-5,3 Prozent), insbesondere der Taschendiebstähle, wird mit den angestiegenen Wohnungseinbruchdiebstählen (+2,4 Prozent), Vergewaltigungen (+20,9 Prozent), Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (+8,6 Prozent), Raub, räuberischer Erpressung (+7,8 Prozent) verrechnet. Von der steigenden Ausländerkriminalität (+30 Prozent seit 2015) ganz zu schweigen. Schon passt die Statistik. Ähnliches kann man auch aus Berlin berichten.
Sollte sich die gesamtgesellschaftliche Entwicklung derartig fortsetzen, wird der angeführte Vorfall der Polizeibeamtinnen nicht das letzte Vorkommnis in dieser Kategorie gewesen sein.
Steffen Meltzer ist Buchautor von „Ratgeber Gefahrenabwehr: Wie Sie Gewalt- und Alltagskriminalität in der Gesellschaft begegnen“
Der Artikel erschien zuerst auf achgut.com
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