Vaatz muss man in seiner persönlichen Art nicht sympathisch finden. ABER:

Der Mann saß als Bürgerrechtler im DDR-Knast.

Der Mann ist ein Wegbereiter der deutschen Einheit, er war dabei ein herausragender Akteur.

Der Mann hat die Erfahrung von zwei Systemen und hat das Recht, kompetent Vergleiche anzustellen.

Der Mann hat im Gegensatz zu seinen linksgrünen Kritikern Leben und Gesundheit riskiert, damit wir 1990 in ein freies Deutschland eintreten konnten.

Der Mann hat Charakter und ist unbestechlich, allein diese Tatsache scheint manche sehr zu empören. Ja, Unbestechlich!

Dass ihn die gleichen Leute der SED wie einst vor 1990 bekämpfen, verdammen und vernichten wollen, ist ein Skandal. Dass sie dazu über die heutigen Medien, wie einst im real existierenden Sozialismus die Möglichkeit erhalten, ist ein noch größerer Skandal und zeigt, in welche Richtung die Entwicklung geht. Ebenso skandalös war die Berichterstattung des MDR, die ich sehr wohl gründlich verfolgt habe. Man dachte, dass DDR-Fernsehen ist wieder auferstanden. Die Rede von Vaatz wurde nachträglich indoktrinierend bewertet, interpretiert und umgedeutet. So hatte einst der Chefagitator des DDR-Fernsehens, Karl-Eduard von Schnitzler, mit seinem „Schwarzen Kanal“ zu Zeiten des kalten Krieges gearbeitet. Der MDR hat nicht informiert sondern versucht, seine Zuschauer politisch zu erziehen. Es ist das Recht jedes Ostdeutschen, Erinnerungen aus der Vergangenheit mit der Gegenwart abzugleichen und auf Misstöne aufmerksam zu machen.

Im Gegensatz zum MDR haben der sächsische Ministerpräsident  Kretzschmer und Landtagspräsident Rösler (beide CDU) Charakter gezeigt. Das ausgerechnet die Linken der Rede ferngeblieben sind, ist kommentiert sich von allein. Klassenkämpfer, die wie so oft nichts dazugelernt haben.

Auszug aus der Rede von Arnold Vaatz:

Es muss möglich sein, über die Energiepolitik der Bundesregierung zu streiten; für die Nutzung der Kernenergie einzutreten; die Wirklichkeitstauglichkeit unseres Risikobewußtseins zu prüfen;

die Gefahren unserer Verschuldungspolitik abzuwägen;

die Wirksamkeit unserer Entwicklungspolitik zu hinterfragen;

unnütze Bürokratie beim Namen zu nennen und zu beseitigen;

eine saubere Trennung von Asylpolitik einerseits und Einwanderungspolitik andererseits einzufordern.

Und all dies, ohne an den Pranger gestellt zu werden oder an den Pranger zu stellen. Wenn hier Allensbach zufolge heute fast 80% der Menschen sagen, man müsse sich beim Sprechen über manche Themen wieder vorsehen, dann frage ich mich allerdings: Ist die Freiheit von 1990 heute noch Lebenswirklichkeit?

Wenn ich von Journalisten gefragt werde, wie ich denn mit Beifall von der falschen Seite umginge, wenn eine Aussage statt nach ihrem Wahrheitsgehalt danach beurteilt wird, wer es auch gesagt hat, wenn jemand seinen Job verliert, weil er mit der falschen Person an einem Tisch gesessen hat, dann habe ich daran Zweifel.

Wenn in Klimafragen mit der Mehrheitsmeinung der Wissenschaftler argumentiert wird, denke ich an Kopernikus, und Galilei – die mutterseelenallein ihre richtige Meinung vertraten; oder an die Denkschrift: „Hundert Autoren gegen Einstein“ von 1931.

Mehrheitsmeinungen eignen sich, politische Streitfragen entscheiden. Die Wissenschaftsgeschichte zeigt sich hingegen ihre Begrenztheit. Die Wissenschaftsgeschichte liest sich geradezu als die Geschichte der Korrektur kollektiver Irrtümer. Der Kabarettist Dieter Nuhr hat kürzlich einen ähnlichen Gedanken auf die Webseite der Deutschen Forschungsgemeinschaft gebracht. Daraufhin brach ein 17 Shitstorm über ihn herein und sein Eintrag wurde zeitweise gelöscht.

Wenn auf diese Art ein öffentlicher Konformitätsdruck erzeugt wird, der die Menschen, die sich ihm nicht beugen, etikettiert und aus der medialen Relevanzzone drängt sich also statt gegen eine Meinung gegen den Menschen mit dieser Meinung wendet, wird das Land eine Polarisierung erleben, zu deren Heilung Worte nicht mehr zur Verfügung stehen, denn sie wurden ja gelöscht.

Und es muss möglich sein, Hass und Hetze zu ächten. Hass und Hetze gegen Menschen wegen deren Religion, deren Herkunft, deren Geschlecht, deren sexueller Orientierung, deren Hautfarbe oder deren Alter.

Dazu zählt auch die Ächtung widerwärtiger Beleidigungen, wie sie der Bundeskanzlerin bei ihrem Besuch in Heidenau vor fünf Jahren oder den Gästen zum Tag der Deutschen Einheit 2016 in Dresden entgegenschlugen oder wie sie kürzlich meine Bundestagskolleginnen Künast und Weidel – gerichtlich unbeanstandet – ertragen mussten.

Dazu zählt auch eine medial wenig beachtete Form von Alltagsrassismus: Dass man heute ohne die geringsten Konsequenzen Menschen bis ins Mark kränken darf, wenn diese Menschen beispielsweise alte weiße Männer sind.

Und dazu zählt auch Schaum vor dem Mund beim Reden und Schreiben über missliebige aber immerhin demokratische gewählte Politiker wie Johnson, Trump, Orban oder Netanjahu: Als seien sie schlimmere Feinde der Menschheit als ein Kim Jong Un.

Quelle: Rede Arnold Vaatz, S. 15 bis 17,   https://www.tichyseinblick.de/wp-content/uploads/2020/10/Rede-Arnold-Vaatz-Landtag-03.10.20.pdf, eingesehen am 05.10.2020