Steffen Meltzer:
Wieder einmal musste die Polizei einen Politiker aus einer Notsituation retten. Diesmal den Frankfurter Oberbürgermeister Feldmann. Er wollte offensichtlich die neuen Einsatzempfehlungen von Malu Dreyer (beide SPD) für besonders anspruchsvolle Großlagen umsetzen. Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz hatte der Polizei nach den massiven Ausschreitungen in Stuttgart und Frankfurt am Main geraten, „sie sollte den Weg der Deeskalation gehen“. Sie selbst habe „gute Erfahrungen damit gemacht, die Sperrstunden von Kneipen aufzuheben“.
SOS – Oberbürgermeister in Gefahr
Der Frankfurter OB warf sich sogleich am vergangenen Wochenende zur Mitternacht in das urbane Gemenge, um Frankfurts Einwohner am Opernplatz mit einer beschwichtigenden Konversation zu bändigen. Er erlebte daraufhin ein persönliches Waterloo:
Während er gerade ein Interview gibt, nähern sich ca. 100 Demonstranten, die gegen „Polizeigewalt“ und „strukturellen Rassismus“ protestieren. Feldmann sieht seine historische Chance gekommen, Dreyers Deeskalationsstrategie beispielhaft anzuwenden und wendet sich an die Hinzukommenden. Viermal versucht Feldmann, „Black Lives Matter“-Sprechchöre anzustimmen, scheitert aber kläglich. Keiner der Anwesenden stimmte mit ein. Das änderte sich erst dann schlagartig, als sich der OB bei den Demonstranten für das mit ihnen erfolgte „Gespräch“, bei dem ihm mehrfach das Mikrofon abgedreht wurde, „bedanken“ und gehen wollte. Diesmal folgt ihm die aufgebrachte Menschenmenge, allerdings einschüchternd und bedrohlich. Damit hatte der OB an diesem Wochenende auf dem Opernplatz für einen brisanten Einsatz der Polizei gesorgt, die eine Eskalation verhindern musste. Gut für den Oberbürgermeister, dass die Polizei vor Ort präsent war, um ihn aus der Gefahrenzone zu führen.
Vom Winde verweht
Das beabsichtigte Lehrbeispiel am Frankfurter Opernplatz wurde zur Blamage. Vielleicht hat Feldmann daraus gelernt, dass man mit Personen, die über eine radikale Geisteshaltung verfügen, die sich in gruppendynamischen Prozessen gegenseitig hochschaukeln und Alkohol zu sich genommen haben, nicht einfach freundlich reden kann. Ihm hätte vielleicht bewusst sein sollen, dass er für linke Demonstranten zum Establishment gehört, damit Teil des Problems ist und nicht dessen Lösung. Übrigens ist die beste Deeskalation immer noch die, Stärke zu zeigen. Das sollte man besser doch den großen Jungs von der Polizei überlassen. Nicht jeder besitzt das Zeug, ein Helmut Schmidt zu sein.
Gute und schlechte Traditionen
Das Verhalten des Frankfurter OB’s reiht sich ein in eine lange Tradition altkluger Auftritte von politischen Führungskräften. So wollte Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Rekers nach den massenhaften Straftaten auf der Kölner Domplatte „eine Armlänge Abstand“ anraten. Später legte sie nach: „Man verhält sich klug, wenn man seine Gruppe nicht verlässt und man verhält sich auch klug, wenn man nicht in überschwänglicher Freude jedem, der einen sympathisch anlächelt, um den Hals fällt. Da könnten Angebote falsch verstanden werden und da sollte sich jede Frau und jedes Mädchen vor schützen.“
Mal decodiert: Dass diese Luder auch jedem Kerl um den Hals fallen müssen! Selbst schuld, wenn man eine Armlänge Abstand gegenüber den 1.000 jungen Männern nicht eingehalten hat. Rekers neuer präventiver Voodoo-Zauber zu Silvester ein Jahr danach war ein Armband mit der Aufschrift „Respect“. Na, dann wird ja alles gut.
SPD-Chefin Saskia Esken dozierte nach den Ausschreitungen von Linksextremen zur Silvesternacht in Leipzig-Connewitz: „Im Sinne der Polizeibeamten muss jetzt schnell geklärt werden, ob die Einsatztaktik angemessen war“, (…) die Beamten wären womöglich unnötig in Gefahr gebracht worden“. Über welche Auswahlkriterien, fragt man sich, verlaufen in der SPD Parteikarrieren?
Mein Artikel erschien zuerst auf Tichys Einblick
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