Von Steffen Meltzer
In der „Welt“ erschien am 14.05.2023 der Beitrag „PSYCHISCH KRANKE ATTENTÄTER – Bis es ein Blutbad gibt“, über die Versorgungssituation gefährlicher psychisch erkrankter Personen in Deutschland. Die Reporter hatten den Umgang mit psychisch kranken Gewalttätern untersucht. Ich zitiere:
„In der Gesamtschau ergibt sich das Bild einer Gesellschaft, die im Umgang mit psychisch erkrankten Gewalttätern noch keine schlüssige Strategie gefunden zu haben scheint.“
Der Schein trügt nicht, auch der v. g. Beitrag (auf den ich inhaltlich nicht weiter eingehen werde) zeigt, dass mit diesem Problem in Deutschland etwas im Argen liegt. Keinem aufmerksamen Leser ist die zunehmende Berichterstattung über tatsächliche und angeblich erkrankte Täter entgangen, die in der Öffentlichkeit aufsehenerregende schwerste Verbrechen begangen haben. Oftmals ist bereits wenige Minuten nach der Festnahme zu lesen, der Tatverdächtige sei psychisch auffällig oder krank. Meistens fehlt in der Berichterstattung die Nationalität des Täters. Die Begründung lautet, man möchte dadurch verhindern, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen stigmatisiert werden und somit einem Rassismus vorbeugen. Damit öffnet man jedoch radikalen Randgruppen Tür und Tor, die diese Steilvorlage der Verschwiegenheit gern aufnehmen und für ihre extremistischen Zwecke ausschlachten. Dabei könnte man mit einer offeneren Berichterstattung viel Schaden abwenden, auch ohne aus „ermittlungstaktischen Gründen“ die Aufklärung der Straftat zu gefährden. Denn erfahrungsgemäß spricht sich die Täterherkunft früher oder später sowieso herum. Warum man das aus der eigenen Hand gibt, ist für mich rational nur schwer nachvollziehbar, ideologisch jedoch schon. Die journalistische Selbstverpflichtung zur Einhaltung des sogenannten Pressekodex ist für Behörden nicht bindend.
Ich werde im folgenden Text die Problematik aus meinem Blickwinkel bewerten. Die von mir aufgeführten Punkte haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit:
- Die Polizei ist im Umgang mit psychisch gestörten oder erkrankten Personen leider nicht immer ausreichend ausgebildet. Es gibt zwischen den Bundesländern große Unterschiede. In einem Bundesland gab es vergleichsweise in der Aus- und Fortbildung jahrelang erhebliche Defizite, währenddessen ich die diesbezüglichen bayerischen Projekte als vorbildlich bezeichnen muss. Unnötige Opfer auf beiden Seiten waren die Folge. Ich hatte mich zu diesem Thema in einem Titelthema in der „Deutsche Polizei“ Ausgabe 1/2015 auf den Seiten vier bis neun umfangreich geäußert. (Siehe Link unter dem abgebildeten Heft)
- Psychisch Erkrankte begehen durchschnittlich weniger Gewalttaten als „gesunde“ Menschen. Gesunde brechen Kriege vom Zaun, führen Börsencrashs herbei oder lügen und betrügen, um Karriere zu machen. Der alte Arztspruch lautet: „Wer als gesund gilt, ist nur nicht gut genug untersucht. Ebenso wird gesellschaftlich unerwünschtes Verhalten gern als „krank“ oder „gestört“ klassifiziert, obwohl es auch der normalen menschlichen Bandbreite des Verhaltens entsprechen könnte. Nicht jedes Kind, das zappelt, hat ADHS. Das freut nur die Pharmaindustrie. Kleine Bonobos (DNA stimmt zu 98,7 Prozent mit der menschlichen überein) werden auch nicht durch ihre Mütter gezwungen, ihren Bewegungsdrang stundenlang zu unterdrücken und still zu sitzen. Zu allen Zeiten hat man unliebsame Personen in die geschlossenen Anstalten zur Verwahrung gesteckt oder wenigstens öffentlich für psychisch krank (z. B. Donald Trump per „Ferndiagnose“) erklärt. Auch im Deutschland der Gegenwart ist das der Fall, Gustl Mollath ist nur das bekannteste Beispiel, niemand kennt die Dunkelziffer. Stichproben von Gutachten brachten durchaus Erschütterndes zu Tage. Andersdenkenden oder unangepassten Zeitgenossen hat man schon immer gern „ein Ding an der Glocke“ unterstellt, um die Sprache der Verleumder zu benutzen.
- Die illegitime Pauschalisierung in der medialen Berichterstattung „psychisch krank = gewalttätig und gefährlich“ stigmatisiert und diskriminiert mit einem Bannstrahl tatsächlich psychisch gestörte und erkrankte Personen. Wir schaffen bzw. vertiefen dadurch neue (alte) Vorurteile gegenüber diesen Menschen. Deutschland war schon einmal weiter. Viele dieser Betroffenen stehen im Alltag tapfer und unauffällig ihren Mann bzw. ihre Frau. Ausdruck dieser sprachlichen Herabsetzung sind zum Beispiel die „volkstümlichen“ Begriffe wie „Jagdschein“ oder „Klapse“.
- Tatsächlich gewalttätiger als Gesunde können Personen mit Schizophrenie, Psychopathie sowie mit Drogen- und/oder Alkoholmissbrauch sein. Das gilt es zu unterscheiden und in der Wahrnehmung/Berichterstattung einzugrenzen. Das sollten vor allem übereifrige Behörden beachten. Die oftmals im ersten Angriff durch nichts bewiesene Beteuerung „psychisch krank“ ist eine unzulässige Verallgemeinerung.
- Nicht jeder Täter, der behauptet, dass er „psychisch krank“ sei, ist es auch: Beispielsweise hatte diesen Umstand ein Messerstecher, dessen Taten in einem ICE zu einem Verletzten und drei Schwerverletzten führte, bei seiner Festnahme gegenüber den Polizeibeamten „hoch und heilig“ versichert. In der am Folgetag stattgefundenen Pressekonferenz übernahmen die Verantwortlichen dessen Aussagen nicht nur zu meiner Verblüffung 1:1. Selbst ein Psychiater in der U-Haft wollte das in einem „Schnellgutachten“ festgestellt wissen. Zur Gerichtsverhandlung bestätigte dagegen ein ordentlich bestellter Gutachter, dass der Ausländer zum Tatzeitpunkt psychisch gesund und vollumfänglich schuldfähig war und dass es sich bei seiner angeblichen Erkrankung um eine Schutzbehauptung handelte. Das tatsächliche Motiv des Syrers Abdalrahman A. war dessen islamistische Radikalisierung.
- Die oft anzutreffende Berichterstattung wenige Minuten nach der Tat: „Tatverdächtiger psychisch krank“ ist durchweg fraglich. Sie muss wie eine Besänftigung auf das schlimmste Verbrechen wirken und hat nicht selten mit der Verbrechensursache bzw. dem Tatmotiv zu tun.
- Wer sich vor der Tat vorsätzlich betrinkt oder mit illegalen Drogen vollpumpt, sollte bei einem Verbrechen keine Möglichkeit auf Nachsicht haben. Die Feststellung, „verminderte Schuldfähigkeit“ oder „Schuldunfähigkeit“ (Unzurechnungsfähigkeit) sollte m. E. auf solche Fälle keine Anwendung finden.
- Zuwanderer, die sich in Deutschland nicht integrieren, keine deutsche Sprache erlernen, keine Basic-Qualifikationen für ein Industrieland mitbringen, deren hohe Erwartungen nicht erfüllt werden, erkranken naturgemäß eher als Deutsche, die hier geboren und aufgewachsen sind. Die soziale Isolation (Vereinsamung) und der dysfunktionale Dauerstress können zu psychischen Erkrankungen führen. Meine Auffassung bestärkt auch ein Beitrag im „Ärzteblatt“ demnach Migranten laut einer epidemiologischen Studien 2,9-fach häufiger an einer Schizophrenie als die einheimische Bevölkerung erkranken. „Bei dunkelhäutigen Migranten ist das Risiko sogar 4,8-fach erhöht“. Die ungefilterte Migration kann für Opfer und Täter mörderisch sein.
- Populistische Verschwörungstheorien, an der steigenden Gewalt wären vor allem der Klimawandel schuld, sollten ins Reich der Märchen verwiesen werden, will man die Negativtendenzen dieses Geschehen tatsächlich umdrehen. Zur Bewahrung der eigenen psychischen Hygiene ist eine innere Distanz zu derartigen vorgesetzten Schwurbeleien oder das Auslachen eine gangbare Alternative.
- Wir benötigen eine andere Zuwanderungspolitik und weniger Spaltung in der Gesellschaft. Nicht umsonst haben die umstrittenen Lockdowns und Schulschließungen zu den einzigen tatsächlichen Triagen in den Kliniken der Kinder- und Jugendpsychiatrien geführt. Eine Abkehr von dieser Politik würde weniger einheimische und zugezogene Erkrankte „erzeugen“. DORT gilt es m. E. primär anzusetzen. Alles andere nach meiner Wahrnehmung Flickschusterei und Augenwischerei, das nichts verbessern wird.
Steffen Meltzer ist Autor des Buches „Ratgeber Gefahrenabwehr“.
Mein Beitrag erschien außerdem in der Printausgabe der „Jüdische Rundschau“
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