Autor Steffen Meltzer
In der Schweiz haben bereits zwei Veranstalter Konzerte abgebrochen bzw. abgesagt. Der Grund: „kulturelle Aneignung“ der Künstler. Ich gehe auf die konkreten Rastalocken-Fälle weißer Musiker, die sich erdreisteten, Reggae zu spielen, und die damit verbundene Kritik an ihnen nicht weiter ein; über die Vorfälle wurde bei TE bereits berichtet (hier und hier). Etwas anderes ist mir wichtiger: die Frage zu erörtern, warum sich Linke untereinander bekämpfen.
Linke funktionieren primär in der Opposition als Notgemeinschaft, bevorzugt in der Opferrolle. Deshalb rufen sie auch jeden Tag aufs Neue den gemeinsamen Feind aus. Ohne diesen äußeren Feind spüren sie weder individuell noch kollektiv eine Existenzberechtigung ihrer Politik. Der „Kampf gegen rechts“ wird zur überlebensnotwendigen DNA, er ist das tägliche Doping für die politischen Auseinandersetzungen. Dies erspart ihnen, sich mit den eigenen Defiziten und Fehlbarkeiten zu beschäftigen und die Richtigkeit eigener Positionen und Handlungen zu hinterfragen.
Auch linker Hass ist ein verzweifelter Schrei der Seele. Ist der Gegner erstmal in der Defensive, beginnen die internen Divergenzen die Oberhand zu gewinnen. Mit alleiniger Macht lässt sich der gegnerische „Parteifreund“ besser „disziplinieren“. Die „Umerziehungsmaßnahmen“ sind noch allzu gut bekannt. Die Linke ist vor allem zersplittert, gegen Freund und Feind ständig agitierend, ausgrenzend, moralisierend, regressiv und seit geraumer Zeit snobistisch („Lifestyle-Linke“). In ihrer Kausalkette (Dialektischer Materialismus) bezieht sie sich gern auf die „Wissenschaft“. Dabei erteilt sie sich selbst den Alleinvertretungsanspruch zu bestimmen, was als „Wahrheit“ bezeichnet werden darf und was nicht.
Nicht die Partei hat immer Recht, sondern deren Anführer. Deren Mitglieder sind untereinander zerstritten. Nach dem Sieg einer bestimmten parteiinternen Strömung würde sie erneut Säuberungen durchführen. Dass dieser Zustand so schnell nicht eintreten wird, ist lediglich der Tatsache zu verdanken, dass ihre Ideologie nicht mehrheitsfähig ist, um als Partei allein zu herrschen. Bis dahin bemüht sie sich um „Anpassung“ und „Kompromisse“. Aber linke Ideologie schreckt auch nicht vor brutaler Gewalt als „legitimes Mittel“ bei der Bekämpfung des Gegners zurück. Linke sind nicht nur Akteure aus der Partei „Die Linke“. Es reicht aus, sich selbst die „moralische Berechtigung“ zur Gewaltanwendung zu erteilen. Geht man dem „bürgerlichen Unterdrückungsapparat“ trotz professioneller Planung und Tatausführung ins Netz, tritt die beim Verfassungsschutz geführte „Rote Hilfe“ auf den Plan.
Linkssein ist so hip wie auf der Documenta ein Palästinenser-Tuch zu tragen
„Links“-sein ist ein Modetrend und derzeit besonders im Großstadtmilieu chic, aber auch oberflächlich, so wie es viele Zeiterscheinungen sind. Karl Marx läuft deshalb Gefahr, mit Karl May verwechselt zu werden. Linke lieben vor allem eins: das Geld anderer Leute, um sich selbst und ihre Wählerklientel damit zu versorgen. Das erklärt ihren ständigen Ruf nach „Umverteilung“ und nach einer „Reichensteuer“. Vorerst findet die Revolution mit verfeinerten Methoden statt. Bevorzugt wird eine sukzessive Zersetzung des Staatswesens, bis eine „revolutionäre Situation“ entstehen kann. Die ausufernde Globalisierung und Auflösung der Nationalstaaten trägt man deshalb gern mit, Hand in Hand mit denen, die man einst bekämpfte.
Der Gerechtigkeit halber: Es gibt auch unter Linken anständige Zeitgenossen. Und ja, warum soll es keine „Linken“ als „Korrektiv“ geben. Derzeit sorgen Linke jedoch für ihren eigenen Untergang. Anstatt sich um ihre (einstige) klassische Klientel zu „kümmern“, wird Identitätspolitik betrieben, um Privilegien und Fleischtöpfe für kleine Gruppen zu organisieren und zu sichern. Nun sind die Linken bei den Wahlen abgestürzt – und wundern sich darüber.
Die derzeitige Linke zu unterschätzen, wäre ein Fehler
Die gesellschaftlichen Koordinaten haben sich gründlich verschoben. Die gebetsmühlenartige Wiederholung eines vermeintlichen Rechtsrucks verdeckt den tatsächlich erfolgten Linksruck. Was gestern noch bürgerliche Mitte und konservativ war, wird heutzutage als „rechts“ verortet und gleich mit Pest und Cholera gleichgesetzt. Nun wäre allein der Begriff „rechts“ zu verkraften, wenn man dabei nicht tief in die rhetorische Trickkiste gegriffen hätte. Mit „rechts“ werden legitime politische und private Ansichten aus der Mitte in einen Topf mit tatsächlichen Rechtsextremisten geworfen und zu einem manipulativen Gesinnungsbrei verrührt. Deutlich großzügiger ist man dagegen zu sich selbst: Linksgrüne Straftäter, zum Beispiel Straßenblockierer oder die gewaltbereite Antifa, werden regelmäßig als „Aktivisten“ verniedlicht.
Andersdenkende werden stigmatisiert und isoliert, um sie an den öffentlichen Pranger zu stellen und aus dem Gemeinwesen mit Schimpf und Schande auszuschließen. So macht sich bei immer mehr Menschen die Angst breit, die eigene Meinung zu äußern. Sie sagen dann lieber nichts. Die schärfste Waffe im artikulierten Klassenkampf ist gegenwärtig die moralische Totschlagkeule: die öffentlichen Aburteilungen des Gegners als „Rechter“, „Nazi“, „Leugner“, „Verschwörer“ oder „Faschist“ – oder zumindest das Stellen unter den Generalverdacht, eines davon zu sein. Beweise sind für diese Schmähungen nicht mehr erforderlich, es reicht aus, entsprechendes Framing zu betreiben. Die Bezeichnung „Nationalsozialismus“ wird dabei tunlichst gemieden, um keine neuronale Verknüpfung entstehen zu lassen, die an den einstigen realen Sozialismus erinnert. Genauso hatte es Stalin getan.
Niemand muss heutzutage ein „Rechter“ sein, um als „Rechter“ diffamiert zu werden. Sich als Nicht-Linksgrüner durch eine „falsche Bemerkung“ zu outen – auch „unterhalb der Strafbarkeitsgrenze“ – kann ausreichend sein, um bei der Antifa und anderen Stellen eine diskriminierende Daueraufmerksamkeit zu erzeugen. Der Ausschluss aus der Gesellschaft war zu allen Zeiten die Höchststrafe und bedeutete in der Vergangenheit oftmals Vertreibung und Tod, dem man nur durch Flucht entkommen konnte. Im Zeitalter des Internets wird vor allem digital geteert und gefedert.
Die Moralkeule macht für die „Aktivisten“ Sinn. Sie umgehen damit die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem spießigen Bildungsbürgertum und mit denen, die für ihr Überleben täglich schwer schuften müssen und deshalb mit den unverstellten Realitäten konfrontiert werden. Eine solche Auseinandersetzung ist viel zu risikobehaftet für Studienabbrecher, verkrachte Existenzen und dozierende Theoretiker, die sich mit Steuergeldern großzügig von denen alimentieren lassen, die sie bekämpfen. Wer möchte schon der Ahnungslosigkeit überführt werden?
Nachdem sich die Linken die Hoheit über Wörter und Gedanken(verbote) selbst gegeben haben (deshalb erfinden sie auch ständig neue Inhalte für althergebrachte Begrifflichkeiten), beginnen sie zunehmend, sich untereinander zu zerfleischen. Das bringt ihre Ideologie zwangsläufig mit sich. Die vor sich her getragene angebliche „Vielfalt und Toleranz“ wird vor allem für sich selbst eingefordert, aber gilt selten für andere. Beispiele gibt es derer massenhaft. Die Daumenschrauben werden zunehmend angezogen, um den „Kapitalismus“ mit ständig neuen Anschuldigungen oder Forderungen zu schwächen. Gleichzeitig werden mit zunehmendem Erfolg gesellschaftliche Schaltstellen besetzt.
Die Linke wird jedoch erneut scheitern, denn sie wird nicht in der Lage sein, die Mehrheit der Bevölkerung für sich zu gewinnen. Das kann sie nur, indem sie sich „auf dem großen Marsch“ anderen Parteien andient und mit ihnen Bündnisse eingeht. Es sei denn, bürgerliche Parteien übernehmen linke Positionen und begnügen sich mit ihrer Juniorrolle.
Der Sozialismus war kein Irrweg des Marxismus, sondern dessen reales Abbild. Der „Demokratische Zentralismus“ ist die permanente Bevormundung und Unterdrückung von Eigenverantwortung und Kreativität, aber keine Befreiung des Menschen von den Produktionsmitteln. Auch die heutigen Linken wollen den Kapitalismus abschaffen und diesen alten/neuen Weg wieder beschreiten. Der Wolf hat Kreide gefressen.
Zum Abschluss ein Zitat von Edmund Burke: „Das einzige, was für den Triumph des Bösen notwendig ist, besteht darin, dass gute Menschen nichts tun.“
Der Beitrag erschien zuerst auf Tichys Einblick
Hinterlassen Sie einen Kommentar