Autor Steffen Meltzer

Es ist vollbracht, Bundeskanzler Scholz hat dem Drängen nachgegeben, Deutschland wird schwere Waffen in die Ukraine liefern. Die Begründungen sind vielfältig. Putin führe einen Krieg gegen den Westen und unsere Freiheit müsse auch an der ukrainisch-russischen Grenze verteidigt werden. Ich las, die Verbrechen der Sowjetunion gegenüber der Ukraine dürfen sich nicht wiederholen. In der Stalinzeit gab es einen Massenmord mit sieben Millionen ukrainischen Toten, die durch eine künstlich herbeigeführte Hungersnot verursacht wurde. Diesen kommunistischen Terror gab es nicht nur gegenüber den Ukrainern. Putin mit Stalin oder Hitler zu vergleichen, ist jedoch für mich keine ernsthafte Diskussionsbasis, um den damaligen Völkermord „legitim“ mit dem gegenwärtigen Konflikt zu vergleichen. Propaganda erlebe ich derzeit auf allen Seiten. Die Wahrheit ist das erste Opfer eines jeden Krieges. Keine zwei Meinungen sollte es über folgende Feststellung geben: Putin führt einen völkerrechtswidrigen Krieg, Russland hat die Ukraine überfallen.

Das Heilsversprechen

Eine Lösung sollen die Lieferungen schwerer Waffen sein. Weil Putin ansonsten immer mutiger werden und andere Staaten und Gebiete erobern würde. Deutsche Panzer u. a. schweres Gerät würden angeblich dazu beitragen, dass Putin an der Auslösung eines Atomkrieges gehindert wird. Ein scharfes Schwert, das sich als zweischneidig herausstellen kann. Vorsicht, die TIT-FOR-TAT-Strategie (wie du mir, so ich dir, aber ich gewinne auf jeden Fall) macht nur einen Sinn, wenn man eine tatsächliche Chance hat, der Bessere zu sein. Das weiß heute niemand. Kriege verlaufen nicht immer nach Plan.

Maulhelden voran

Wer es nicht erwarten kann, den Krieg auf Europa auszudehnen, kann sich schon einmal gedanklich mit dem befassen, was es zu erwarten gibt.

Krieg riecht nicht nach dem parfümierten Duft des süßen westlichen Wohlstandslebens. Sondern nach Verwesung der menschlichen Leichen, Scheiße, Modder, Urin und Eiter. Dazu kommen Kälte, Schlafentzug, Hunger und Durst. Manchmal hört man das Schreien, Röcheln und Stöhnen der Verwundeten, bevor sie verstummen, weil sie verblutet sind. Man sieht heraushängende Gedärme und zerfetzte Leiber, einzelne Gliedmaßen u. a. menschliche Fleischstücke herumliegen. Ein Labsal für Fliegen und Maden. Die Schmeißfliege auf dem eigenen Gesicht, fraß vorher an der aufgedunsenen Bauchhöhle des ehemaligen Kameraden. Zu sehen sind getötete unschuldige Kinder, Frauen, Alte und Tiere. Aufgedunsene Körper schwimmen im Fluss und werden an die Ufer gespült. Sie bleiben am Geäst, Unrat und Steinen hängen. Sie sehen wahrlich leichenblass aus, eine dicke fette und weiße Wachshaut hat sich auf ihnen gebildet. Da, eine nackte Frauenleiche. Wurde sie vergewaltig und danach mit einem Kopfschuss wie Müll entsorgt? Sie muss schon sehr lange im Wasser gelegen haben. Jemand erbarmt sich, will sie bestatten. Als er ihren rechten Arm anpackt, um sie aus dem Wasser zu ziehen, hat er plötzlich nur noch das abgerissene Körperteil in der Hand. Angewidert muss sich der schlagartig Helfer übergeben.

Hoffentlich liegen bei den tapferen deutschen Maulhelden keine Schnupfen-Allergien vor, weil ihnen als Kinder nie erlaubt wurde, im Schlamm oder Pfützen zu spielen. Dann aber bitte nicht nach der Mutti schreien, weil sich so ein Krieg gar nicht wie im Film oder am Computerflipper abspielt. Dort sterben bekanntermaßen immer die anderen. Falls der Kriegsheld lebend zurückkommt, gibt es leider gerade keine Therapieplätze, um das Trauma auszukurieren. Alle schon durch andere besetzt. Für einheimische sind leider keine Kapazitäten frei. Ich habe aber noch eine positive Nachricht: Nicht alle Menschen erkranken an eine PTBS. Es sind vor allem die, die schon eine psychische Vorschädigung aufweisen. Eine Minderheit, wenn auch keine geringe an der Zahl. Nicht dem Mainstream glauben, dass es jeden Kriegsbetroffenen erwischt, es ist nur eine politische Phrase, die unser Mitleid für Geflüchtete erwecken soll.

Eine persönliche Schutzausrüstung gibt es leider nicht. Nix Helm, nix Weste, nix-gar-nix. Die Bundeswehr hat nix mehr auf Lager, reicht nicht einmal für die eigenen Soldaten. Willkommen in der Realität! Aber das macht doch nichts, die heißersehnten schweren Waffen sind auch „ohne“ zu bedienen, solange jeder seinen Kopf auf der eigenen Schulter trägt. Auch ein Panzerkommandant verliert schon mal sein Denkwerkzeug, wenn er unbedacht seine Luke öffnet. Dann fällt der kopflose Körper in das Fahrzeug hinein. Bis zu sieben Liter menschliches Blut „verschönern“ das Innere. Pitschnass von der roten Flüssigkeit seines Kameraden, mit den man soeben noch gescherzt hat.

Nein, ein Begräbnis gibt es nicht, viele werden eilig irgendwo verscharrt, wie das im Krieg üblich ist. Vorausgesetzt, es ist noch Zeit dazu. Einige verbrennen bis zur Unkenntlichkeit. Tausende gelten seitdem als „vermisst“.

Hannemann geh du voran?

Es ist ja immer schön bei einer Flasche Bier und im warmen Sessel, andere mit schweren Waffen an die Front schicken zu wollen und für einen stellvertretend unter diesen erbärmlichen Umständen sterben zu lassen. Oder doch lieber selbst gegen die Russen kämpfen? Viel „Spaß“.

Keiner hat es verdient, wegen eines Atomschlages verdampfen, nur weil es einige nicht erwarten können, gegen die Russen ins Feld zu ziehen, um den regionalen Konflikt, weiter zum Eskalieren zu bringen. Wir haben es bisher nicht einmal geschafft, unsere eigene Bundeswehr umfassend abwehr-und einsatzbereit zu halten. Die Wehrpflicht wurde abgeschafft, weil es „nicht mehr zeitgemäß“ sei. Die jungen Leute haben keine Lust zu dienen. Soziales Jahr in der Pflege, das viele Probleme lösen könnte? Bitte nicht, das schränkt doch so ein. Auch der Bevölkerungs- und Katastrophenschutz – eine einzige Katastrophe! Siehe Ahrtal.

Natürlich müssen wir der Ukraine helfen, aber so, dass nicht noch mehr Menschen sterben müssen. Deutsche Maulhelden fordern eine Kriegsverschärfung in der Ukraine. Andere für sich sterben zu lassen, ist keine Lösung.

Fotoausschnitt aus dem Film „1917“, Regie Sam Mendes, 3 Oscars, 2 Golden Globes

Steffen Meltzer ist Buchautor von „Ratgeber Gefahrenabwehr: Wie Sie Gewalt- und Alltagskriminalität in der Gesellschaft begegnen“. Zuletzt erschien „Die hysterische Republik“ von Steffen Meltzer (Hrsg.), 2021, Potsdam: Ehrenverlag. Hier bestellbar.