Bild: Ilja Jefimowitsch Repin, „Die Saporoger Kosaken schreiben dem türkischen Sultan einen Brief“

Autor: Steffen Meltzer

Einige Leser werden sich noch an Böhmermanns Schmähgedicht, das an den türkischen Staatschef Erdogan gerichtet war, sehr gut erinnern. An die sich anschließenden diplomatischen und strafrechtlichen Aktivitäten inklusive. Auch Angela Merkel sprach in einem Telefonat mit dem damaligen türkischen Ministerpräsidenten  Ahmet Davutoğlu davon, dass die Verse „bewusst verletzend“ gewesen wären.  Später nahm sie diese Bemerkung wieder zurück. Ein angestrengtes Strafverfahren gegen Böhmermann wurde eingestellt. Am 1. Juni 2017 beschloss der Bundestag einstimmig die Abschaffung des § 103 StGB („Majestätsbeleidigung“), die am 1. Januar 2018 in Kraft trat.

Wie wir inzwischen wissen, dürfen Linke gegen aller Art von Menschengruppen „Satire“ betreiben. Das betrifft nicht nur umweltsauende Omas, sondern vor allem den „alten weißen Mann“, der privilegiert für sämtliches Elend dieser Welt verantwortlich wäre. Weitere hysterische Beispiele finden Sie hier. Jan Böhmermännchen hätte sich bei den Saporoger Kosaken noch einiges abschauen können. Allerdings halte ich es für zweifelhaft, dass dieser schmalschulterige Typ über den Job eines Pferdeknechts, bei diesen (tatsächlich) lustigen Naturburschen hinausgekommen wäre. Gehen wir einige Tage in der Menschheitsgeschichte zurück.

Der politisch und militärisch mehrfach gescheiterte Sultan des Osmanischen Reiches, Mehmeds IV. (02.01.1642; † 06.01.1693), war durch seinen Großvisier nicht nur vor Wien gescheitert. Ein besonderes Ressourcen verschlingendes Ärgernis stellten die links-und rechtsufrigen Dnjepr-Kosaken dar, die sich mitunter nicht immer grün waren und mit wechselseitigen Bündnissen auch gegenseitig bekämpften. Diese lebten im weiten Grenzland („Ukraine“) zwischen Polen-Litauen, Russland und dem Osmanischen Reich. Doch bevor die Säbel rasselten, versuchte sich der türkische Herrscher in einer Art Verwaltungsakt mit der folgenden Aufforderung:

„Ich, Sultan und Herr der Hohen Pforte, Sohn Mohammeds, Bruder der Sonne und des Mondes, Enkel und Statthalter Gottes auf Erden, Beherrscher der Königreiche Mazedonien, Babylon, Jerusalem, des Großen und Kleinen Ägyptens, König der Könige, Herr der Herren, unvergleichbarer Ritter, unbesiegbarer Feldherr, Hoffnung und Trost der Muslime, Schrecken und großer Beschützer der Christen, befehle euch, Saporoger Kosaken, freiwillig jeglichen Widerstand aufzugeben und mein Reich nicht länger durch eure Überfälle zu stören.“

Das schwer narzisstisch anmutende Schreiben muss bei den Nachfahren entlaufener Leibeigener, für viel Heiterkeit gesorgt haben. Nicht umsonst steht der Name „Kosaken“ für „Freie Menschen“. Alle Saporoger waren untereinander gleich, um Besitzstreitigkeiten zu verhindern, war der Ehestand verboten. Bei diesen Freigeistern war der „Bruder der Sonne und des Mondes“ an die Richtigen geraten. Die Saporoger Kosaken sollen zurückgeschrieben haben:

„Du türkischer Teufel, Bruder und Genosse des verfluchten Teufels und Sekretär des leibhaftigen Luzifers! Was zum Teufel bist du für ein Ritter, wenn du nicht mal mit deinem nackten Arsch einen Igel töten kannst? Was der Teufel scheißt, das frisst du samt deinen Scharen. Du Hurensohn, du wirst keine Christensöhne unter dir haben. Dein Heer fürchten wir nicht. Wir werden uns zu Wasser und zu Lande mit dir schlagen, gefickt sei deine Mutter!

Du Küchenjunge von Babylon, krummbeiniger Mazedonier, Bierbrauer von Jerusalem, Ziegenhirt von Alexandria, Schweinehirt des großen und kleinen Ägypten, Schwein von Armenien, tatarischer Geißbock, Verbrecher von Podolien, Henker von Kamenez und Narr der ganzen Welt und Unterwelt, dazu unseres Gottes Dummkopf, Enkel des leibhaftigen Satans und Schlappschwanz. Schweinefresse, Stutenarsch, Metzgerhund, ungetaufte Stirn, gefickt sei deine Mutter!

So haben dir die Saporoger geantwortet, Glatzkopf. Du bist nicht einmal geeignet, christliche Schweine zu hüten. Nun müssen wir Schluss machen. Das Datum kennen wir nicht, weil wir keinen Kalender haben, keinen Monat am Himmel, kein Jahr in einem Buch, und wir haben den gleichen Tag wie du. Deshalb küss uns den Arsch!

Unterschrieben: Der Lager-Ataman Iwan Sirko mitsamt dem ganzen Lager der Saporoger Kosaken“

Ob der Brief tatsächlich geschrieben wurde, ist bis heute nicht geklärt. Journalist Peter Dittmar bezeichnet in einem Welt-Artikel den Text aus einer „einer Ansammlung übelster Schmähungen und Beschimpfungen, die Jan Böhmermanns Einlassungen zu Erdogan als pubertäres Stammeln erscheinen lassen“.

Als ich mir im Internet das Gemälde „Die Saporoger Kosaken schreiben dem türkischen Sultan einen Brief“ ansah, konnte ich nicht meine aufkommende große Sympathie verhehlen. Die angeblich briefeschreibende Szene aus dem Jahre 1676, hat der russische Maler Ilja Repin (05.08.1844 † 29.09.1930) in einem Historienbild eindrucksvoll nachgestellt. Auf dem Bild wurde auch der legendäre Kosakenführer, Ataman (militärischen Rang, frei gewähltes Oberhaupt) Iwan Sirko (ca. 1605/10 † 1680), dargestellt, der in der Ukraine als Nationalheld gilt.

Mehmeds IV. scheiterte bei seinem Versuch, die gesamte Ukraine im Osmanisch-Russischen Krieg 1676–1681 zu erobern. Der Sultan wurde entmachtet und gefangengesetzt.

Anm.: Bei diesem Beitrag habe ich ausnahmsweise einige Wikipedia-Einträge verlinkt.

Steffen Meltzer  ist Autor von Ratgeber Gefahrenabwehr – So schützen Sie sich vor Kriminalität – Ein Polizeitrainer klärt auf